„Für augenblicklichen Gewinn verkaufe ich die Zukunft nicht“: Adani und der Bau einer Kohlemine in Australien

Zitat frei nach Werner von Siemens

Am 12. Januar 2020 twitterte die deutsche „Fridays for Future“-Sprecherin Luisa Neubauer: „Am Montag ruft #FridaysForFuture zu 11 Spontan-Demonstrationen gegen Siemens und die Fehlentscheidung von @JoeKaeser auf […]“. Im Laufe der nächsten Tage wandern Tags wie „#KaeserFuelsFires“ durch die sozialen Medien. Aber wie konnte es so weit kommen? Wie konnte sich ein so etablierter Konzern mit eigentlich ökologisch vertretbaren Geschäftsmodellen in eine solche Lage bringen?

Die Geschichte beginnt am 2017 als die Firma „Adani“ ihre Beschlüsse veröffentlicht hatte, die den Bau einer der weltweit größten Kohleminen in Australien bestätigen. In dem unberührten Gebiet Galilee Basin des Staats Queensland in Australien soll diese Kohlemine errichtet werden und jährlich 6 Millionen Tonnen Kohle abbauen. Damals wurde das Projekt von der australischen Regierung als eine große Chance betrachtet. So soll diese Mine der Wirtschaft der Nr. 1 Kohleexport-Nation einen Aufschwung geben und tausende Jobs generieren. „Wir sind ein ressourcenreicher Staat, wir sind ein agrarisch reicher starker Staat, wir sind ein tourismusreicher Staat und wir brauchen Jobs!“, so Annastacia Palaszczuk, Queenlands Premierministerin. Die Regierung ging sogar soweit, Adani eine Milliarden Dollar zu leihen um eine Zugstrecke zu bauen, damit die Kohle zu der Küste transportiert werden kann. Schon damals wurden die umweltschädlichen Aspekte aufgezeigt und die Menschen gingen Demonstrieren, aber damals war es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Im Laufe der nächsten Monate wurde dem Projekt viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt als es Adani lieb gewesen wäre. Proteste verbreiteten sich in ganz Australien und teilweise schon in den Vereinigten Staaten. Grundwasserschutz war eines der Hauptschlagworte, welches in der Regierung nun regelmäßig fällt. Jene Regierung wird durch das Adani-Projekt von Woche zu Woche immer gespaltener und durch die bereits unterschriebenen Vereinbarungen steht sie unter immer größer werdendem Druck. Diesen Druck bekommt auch Adani zu spüren: Gegen Ende des Jahres 2018 musste die Firma einlenken. Die Pläne wurden über den Haufen geworfen, die Vision ist geplatzt. Aus dem anfänglichen 16 Milliarden-Projekt, in das sich äußere Aufwandsträger „reinkaufen konnten“, wurde ein 2 Milliarden-Projekt, welches der Konzern nun selbst finanzieren muss. Dennoch bleibt es die größte Kohlemine Australiens.  

Hinter den ganzen Demonstrationen und Protesten, welche es scheinbar geschafft haben, Adani einknicken zu lassen, steckte aber noch viel mehr: Es ging nicht nur um diese Firma, nicht nur um dieses Projekt. All die Menschen, welche sich seit Jahrzehnten für das Klima einsetzen, fühlen sich durch diese Mine in Australien gedemütigt. Zu beschließen, die größte Kohlemine der Welt zu eröffnen, ist die Antithese dessen, was die Regierung eigentlich in Erwägung ziehen sollte. Die Umweltaktivisten sind an dem Gipfel angekommen und laut genug geworden, um einen Milliardenkonzern in die Ecke zu treiben.

Es ist mittlerweile 2020 und durch Greta Thunberg ist eine Bewegung von historisch ungesehenen Ausmaßes geboren worden. „Fridays for Future“ setzt sich seit mittlerweile einem Jahr global für den Erhalt unseres Planeten ein. Gleichzeitig beschließt die Regierung Queenslands den Bau der Kohlemine trotz Grundwasserregulierungen zu genehmigen. Adani beginnt sofort mit dem Bau. Nach neuen Berechnungen wird nun geschätzt, dass die Kohlemine 10 Millionen Tonnen Kohle jährlich nach Indien liefern wird – Kapazitäten reichen bis zu 27 Millionen. Umweltaktivisten und –demonstranten nehmen diesen Schlag nicht hin. „Die Bewegungen werden größer und stärker und wir werden diesen Kampf weiterführen“, so Emma Barrett, einer der Köpfe der Gegenbewegung.

Im späten 2019 beginnt Australien zu brennen. Buschbrände werden zu Waldbränden. Landschaften und Siedlungen werden von der Naturgewalt dahingerafft. Noch heute brennt eine Fläche größer als Bayern und Baden-Württemberg.

Währenddessen fragt Adani verzweifelt Firmen auf der gesamten Welt an, um ihnen bei dem Bau zu helfen. Lukrative Aufträge – zweifellos millionenschwere Deals. Aber die Firmen lehnen ab. Zu groß sei die öffentliche Opposition. Adani muss Puzzle zusammensetzen und in einem bürokratischen Albtraum versuchen den Bau mit minimaler Unterstützung durchzuführen.

Siemens hingegen ist einer der wenigen Großkonzerne, welche nicht „nein“ gesagt haben. Die Firma hat vor, Technik für das Bergbauprojekt zu liefern. Unter anderem jene für die Zugstrecke, welche essenziell für das gesamte Projekt ist.

„Fridays for Future Deutschland“ hat zusammen mit Umweltorganisationen wie Greenpeace zu spontanen Großdemos aufgerufen. So zum Beispiel ist eine Menschenkette um das Quartier der Augsburger Siemenszentrale errichtet worden. Dieser öffentliche Druck hat – so klein das Gewicht von Siemens in diesem Projekt auch sein mag – den Konzern zittern lassen. Drei Mal wurde die Entscheidung vertagt. CEO Joe Kaeser hat sich sogar mit Luisa Neubauer, FFF-Gesicht Deutschlands, getroffen, um die Pläne für die Kohlemine auszudiskutieren. Letzten Endes haben aber auch diese Bemühungen nichts gebracht. Laut Kaeser habe Siemens ja Verpflichtungen gegenüber ihren Aktionären. Es wird wohl darauf hinaus laufen, dass – trotz des Imageschadens – Siemens bei dieser Entscheidung bleiben wird.

Letzten Endes ist Siemens aber nur ein Rad in einem gigantischen Getriebe. FFF’s Bemühung nur die Spitze einer riesigen Kampagne gegen einen Kohleabbau. Adani nur eine Firma von vielen. Aber diese Geschichte hat symbolische Bedeutung – nämlich, dass die Zeit, in der wir leben, von Bedeutung ist. Ja, Konzerne sind Konzerne, aber durch die Proteste konnten unglaubliche Schritte begangen werden. Auch wenn die Umweltschutz-Bewegungen dieses Mal noch nicht ihre Ziele erreicht haben, so lehrt uns diese Geschichte, dass Bürger gemeinsam viel bewirken können. Und darauf können wir stolz sein.

Text von Thomas Berchtold, erstmalig erschienen am 12. Februar 2020

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