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Kategorie: Toleranz und Akzeptanz (Seite 1 von 3)

Filmkritik: Der vermessene Mensch

Der Film „Der vermessene Mensch“ ist ein Spielfilm aus deutscher Produktion. Regie führte Lars Kraume, der auch das Drehbuch zum Film verfasste. Erstmals wurde der Film 2023 ausgestrahlt, dies sowohl auf Deutsch als auch auf Otjiherero (Die Sprache der Herero, einem südwestafrikanischen ehemaligen Hirtenvolk von heute etwa 120.000 Menschen). Der Film basiert auf dem Roman „Morenga“ von Uwe Timm. Leonard Scheicher in der Hauptrolle des Berliner Ethnologen Alexander Hoffmann wird Anfang des 20. Jahrhunderts Zeuge des Völkermords an den Herero und Nama. 

Grundsätzlich geht die Handlung wie folgt: der vorher genannte Alexander Hoffmann ist Doktorand an der Friedrich-Wilhelms-Universität in dem Fach Ethnologie in Berlin. Alles beginnt damit, dass Angehörige der Herero aus Deutsch-Südwestafrika bei der Berliner Kolonialausstellung, auch Völkerschau genannt, ausgestellt werden. Unter einer Völkerschau versteht man das Zurschaustellen von Angehörigen von als „fremd“ empfundener Kulturen.

Die Völkerschau in unserem Film findet 1896 statt, bei der Alexander eine Delegation von Herero kennenlernt, unter ihnen auch die gebürtige Herero Kezia Kambazembi, die für die Gruppe dolmetscht, da sie als Einzige Deutsch spricht. Alexander, der die Gruppe erforschen und vermessen soll, entwickelt stattdessen ein Interesse, wenn nicht sogar Gefühle, für sie. Aufgrund privater vorangegangener Gespräche mit der Gruppe, widerspricht er der allgemein im damaligen Deutschen Reich anerkannten und populären Rassentheorie.

Als die Gruppe abreist und es in Deutsch-Südwestafrika zu einem Krieg mit den Herero und Nama kommt, reist Alexander Hoffmann ihnen nach, nach Afrika. Seine grundsätzliche Intention besteht darin, Artefakte und Gegenstände der Völker zu sammeln, um seine anti-rassistischeThese zu beweisen. Zusätzlich treibt es ihn an, Kezia wiederzusehen. Während der ganzen Zeit wird er Zeuge des Krieges und der abscheulichen Taten der deutschen Soldaten gegenüber den Herero und Nama, die man erst seit wenigen Jahren offiziell als „Völkermord“ bezeichnet. Am Ende des Films findet er Kezia, spricht jedoch nicht mit ihr, sondern fährt nach Berlin zurück, um dort alle seine Schriften über seine Thesen zu vernichten. Er spricht als späterer Professor nie wieder über seine damaligen Ansichten, weder seine Rassentheorie, noch seine Erlebnisse in Deutsch-Südwestafrika.

Der Film zeigt schonungslos die damalige Grausamkeit und europäische Dekadenz und Arroganz gegenüber diesen Völkern und Ethnien. Zudem werden die verschiedenen Facetten aufgezeigt und nichts beschönigt. Niemand hat sich bis jetzt getraut, einen Kinofilm über die Verfehlungen des deutschen Kolonialismus zu machen. Es ist ein Film, der klar den Völkermord an den Herero und Nama aufzeigt. Es ist ein Film, der zum Nachdenken anregt und es am Ende schafft, eine klare Message rüberzubringen.

Persönlich wären ein paar mehr Szenen aus Sicht der Herero und Nama schön gewesen. Der Film konzentriert sich mehr auf die deutsche Seite. Und trotz der am Ende empörten Ausrufe der Kinobesucher, da es kein Happy End für Kezia und Alexander gab, finde ich genau das das Gute. Denn sind wir mal ehrlich, hätten wir die Message des Films so verstanden, wie sie gemeint war, wenn sich die beiden am Ende noch gekriegt hätten? Ich glaube nicht. Vielleicht war Alexander auch nur an dem Fremden oder Exotischen interessiert, was Kezia ausstrahlte? Der Film ist es auf jeden Fall wert, ihm auf einer der Streamingplattformen auszuleihen und anzuschauen. Hier könnte man natürlich über das angegebene Freigabealter von 12 Jahren streiten, doch ob man den Film trotz „schwerer Kost“ sehen möchte, sollte jeder für sich selbst entscheiden.

Text/Zeichnung: Laura G.

Podcast: Interview mit der Münchner Musikerin und Aktivistin „Gündalein“

Hey Leute,

wir waren beim diesjährigen „Blattmacher“-Wettbewerb der Süddeutschen Zeitung in München dabei und haben dort den ersten Platz in der Kategorie „Online-Ausgabe“ gemacht. Der Schülerzeitungswettbewerb „Blattmacher“ wird übrigens gemeinsam vom Bayerischen Kultusministerium und der Süddeutschen Zeitung GmbH ausgerichtet und von der Nemetschek Stiftung unterstützt.

Es war ein sehr nettes Event, bei dem die besten Schülerzeitungen Bayerns geehrt wurden. Neben bekannten Gästen wie dem aktuellen Kultusminister Michael Piazolo war auch die Sängerin Gündalein geladen, welche für gute Stimmung zwischen den Reden und Ehrungen sorgte. Ihr Stil variiert zwischen Hip-Hop, R ’n‘ B, Jazz und Soul. Wir haben die Münchner Newcomerin direkt nach dem Event interviewt, um sie euch jetzt im folgenden Podcast etwas genauer vorzustellen. Enjoy!

Unsere Autorin Laura (links) mit der Münchner Sängerin "Gündalein".
Unsere Autorin Laura (links im Bild) traf die Sängerin Gündalein bei einer Preisverleihung für bayerische Schülerzeitungen im Münchner Literaturhaus.

P.S.: Gündaleins Debüt-Single „I‘m Crazy“ wurde 2020 veröffentlicht. Sie selbst beschreibt Amy Winehouse und Lauryn Hill als musikalische Vorbilder. Hier haben wir euch zusätzlich den Spotify Account von Gündalein verlinkt, klickt doch gerne mal rein!

Text/Interview: Mona W., Laura G.

Podcast: Gänsehaut-Momente bei der 2. „Open-Mind-Night“

Im vergangenen Februar fand an unserer Schule bereits die zweite „Open-Mind-Night“ statt. Den ganzen Abend lang zeigten Schüler*innen, eine Lehrerin und sogar eine ehemalige Schülerin der FOS/BOS unter dem Motto „Creative Moments“ ihre versteckten Talente dem Publikum. Organisiert wurde die Veranstaltung vom „Schule ohne Rassismus“-Teams der Beruflichen Oberschule Friedberg.

Unserer Autorinnen Mona und Lara waren mit dem Mikrofon unterwegs und haben den Abend so für uns dokumentiert. Von gefühlvollen Gesangseinlagen, anti-rassistischen Poetry Slams, über zwei selbst gedrehte Filme, wurden den Gästen viele kreative Beiträge geboten.

Hier findet ihr den Podcast zur 2. „Open-Mind-Night“ der FOS/BOS Friedberg:

Viel Spaß beim Hören!

Podcast/Text: Mona W., Lara Q.

Woher kommst du? – Ich komme von hier!

Als unsere Autoren Gabriel und Vanessa im Juni 2022 am Schülerzeitungskongress in Berlin teilnahmen, konnten sie auch Kontakte zu anderen Schülerzeitungsredaktionen knüpfen. Im Folgenden möchten wir unseren Leserinnen und Lesern einen Kommentar des Autoren Philipp Zschau von der Schülerzeitung „script“ des Gymnasiums Renningen aus Baden-Württemberg vorstellen. Eine Sonderausgabe der Redaktion zum Thema „Rassismus“ war beim Schülerzeitungswettbewerb der Länder ausgezeichnet worden.

Ein Portrait über die vermutlich unverschämteste Frage der Welt

Woher kommst du?  Diese vermeintlich einfache Frage hat enorme Sprengkraft – doch warum wird diese Frage überhaupt gestellt und warum begreifen häufig „weiße, westeuropäische“ Menschen es nicht, dass es kein legitimes Motiv gibt, um diese Frage zu stellen? Viele Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund können ein Lied von ihrem Leid mit der „Woher-Frage“ singen und gehen dennoch völlig verschieden damit um. Journalistin Vanessa Vu, die mit Ihrer Migrationserfahrung viele negative Ereignisse verbindet, spricht mit wildfremden Personen verständlicherweise nur ungern darüber. Rechtfertigungen und Entschuldigungen, dass man ja nur „neugierig“ sei, akzeptiert sie nicht. Es interessiert Sie nicht, wie die Frage gemeint ist. Es kommt darauf an, wie sie ankommt. Wissenschaftsjournalistin Mai Thi-Nguyen-Kim geht an die Sache völlig anders heran und sieht es als Ihren Bildungsauftrag an, darüber aufzuklären und akzeptiert dabei auch das Motiv der Neugier. So verschieden der Umgang der beiden Deutschen mit dem Problem auch ist, ist es noch immer die Frage selbst, die nicht nach Antworten sucht, sondern diese schon vorgibt. Wie sollen wir als Gesellschaft damit umgehen und was sollte dabei jeder einzelne von uns beachten?

Wir schrieben das Jahr 2019. Hier finden wir den Auslöser für die womöglich größte Debatte über Rassismus und Stigmatisierung seit Erfindung des Internets. Ihren Auslöser hatte die sogenannte „#vonhier“-Debatte in der RTL-Fernsehsendung „Das Supertalent“. Die Szene in dieser Sendung, in der Dieter Bohlen mithilfe der „Woher-Frage“ ein Mädchen, das aus Herne in Nordrhein-Westfalen kommt, beinahe versehentlich über die Einwanderungsgeschichte Ihrer Ur-Großeltern ausfragt, ist ein Paradebeispiel für die ungestillte, gar unverschämte Neugier, mit der Menschen diese Frage stellen und überhaupt nicht merken, was sie da eigentlich anrichten. Dieter Bohlen fragte zunächst, woher das Mädchen komme, welches antwortete, dass sie eine Hernerin sei. Auf die folgende Frage, woher Ihre Mutter komme, antwortete Sie erneut, dass auch die Mutter eine Hernerin sei. Dieter Bohlen ließ nicht locker und fragte erneut, woher sie komme, doch er erhielt nicht die Antwort, die seine Neugier gestillt hätte. Doch statt dies zu akzeptieren, hatte er erneut die „Woher-Frage“ gestellt, jedoch diesmal an die Mutter, wobei dann herauskam, dass die Familie thailändische Wurzeln hat.

Dass hier etwas gewaltig schief gelaufen ist, ist offenbar, doch ich bin überzeugt, dass das jedem „weißen, westeuropäischen Menschen“ hätte passieren können, da diese Menschen oft gar nicht wissen, wie es sich anfühlt, dieser Frage ausgesetzt zu sein. Ein anschauliches Beispiel, das eben diese weißen Personen, die dieses Gefühl nicht kennen können, versucht zu erklären, wie es sich anfühlt, dieser Frage ausgesetzt zu sein, kommt von Wissenschaftsjournalistin Mai Thi-Nguyen-Kim: „Das ist ungefähr so, als wärst du im Fußballstadion und alle um dich herum haben das Mannschaftstrikot an, nur du nicht. Dabei bist du im Herzen ein genauso großer „Die-Hard-Fan“ von dieser Mannschaft, doch alles, was die anderen sehen ist, dass du kein Trikot anhast.“ Wozu das führt hat Vanessa Vu beschrieben als unzählige Nadelstiche, für die sich niemand bei Ihr entschuldige, sondern sogar noch über Sie beschwere, wenn Sie das nicht hinnehmen möchte.

Was sich seit dieser „#vonhier“-Debatte verändert hat, ist leider noch immer sehr überschaubar. Rassismus und Diskriminierung sind noch immer Teil des Alltags von Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund. Noch immer gibt es Menschen, die selbst nach freundlichen Hinweisen nicht damit leben können, dass die Frage nach der Herkunft eine persönliche und intime Frage ist, die sich nicht eignet, um ein belangloses Small-Talk-Gespräch zu führen. So lange das nicht nur nicht verstanden wird, sondern noch immer geleugnet wird und es noch immer die Spezies der „Nein, ich meine: wo kommst du WIRKLICH her?“-Fragenden gibt, ist an ein Ende dieser alltäglichen, rassistischen und diskriminierenden Frage nicht zu denken. Was jeder einzelne gegen diesen gesellschaftlichen Laster tun kann, ist eigentlich simpel und einfach, denn diese Frage, die nicht selten der wundeste Punkt eines Menschen ist, einfach auszusparen, sollte für niemanden eine Herausforderung sein. Wir müssen uns mit den Konsequenzen, die unser Handeln und Tun hat, auseinandersetzen, statt uns in Ausreden und Ignoranz zu flüchten. Nun liegt es an uns allen, das auch umzusetzen und uns dabei gegenseitig die Augen zu öffnen.

Deshalb ist es nur richtig und wichtig, wenn jeder in Zukunft dreimal überlegt, ob man nicht die Gefühle anderer Menschen verletzt, bevor man eine derartig persönliche und intime Frage stellt, wie die Frage nach der Herkunft und oft sogar der der Vorfahren.

Text: Philipp Zschau (leicht bearbeitet)

Alltagsrassismus und gesellschaftliche Verantwortung: „Script“ zeigt Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit

Als unsere Autoren Gabriel und Vanessa im Juni 2022 am Schülerzeitungskongress in Berlin teilnahmen, konnten sie auch Kontakte zu anderen Schülerzeitungsredaktionen knüpfen. Im Folgenden möchten wir unseren Leserinnen und Lesern einen Leitartikel der Schülerzeitung „script“ des Gymnasiums Renningen aus Baden-Württemberg vorstellen. Eine Sonderausgabe der Redaktion zum Thema „Rassismus“ war beim Schülerzeitungswettbewerb der Länder ausgezeichnet worden.

Im Schuljahr 2020/21 hat die Schülerzeitung „script“ am Gymnasium Renningen (westlich von Stuttgart) eine ganze Ausgabe dem Engagement gegen Rassismus in unserer Gesellschaft gewidmet. Dafür ist sie 2022 unter anderem mit dem Sonderpreis „EinSatz für eine bessere Gesellschaft“ des Bundesfamilienministeriums ausgezeichnet worden. Der folgende Artikel führte die Leser dabei in das Thema ein und erklärte, was unter Rassismus zu verstehen ist:

„Keine Angst, der beißt nur Schwarze!“ – Rassismus begegnet uns überall und jederzeit im Alltag. Als ich vor einigen Jahren auf der Terrasse eines Restaurants zum Abendessen saß, musste ich diesen Ausspruch eines Gasts am Nebentisch miterleben. Diese spontane rassistische Bemerkung wurde vollkommen unvermittelt geäußert, der Kellner hatte sich zuvor nur besorgt über den Hund des Gastes gezeigt. An der Bemerkung selbst hat aber niemand Anstoß genommen.

Schon fast alle Mitmenschen haben bereits traurige Erfahrungen mit rassistischen Angriffen gemacht, oft werden sie leider selbst Ziel von Angriffen. Denn Rassismus ist in Deutschland leider noch zu oft Teil des Alltags der Menschen, man spricht von „Alltagsrassismus“. Viel zu viele Menschen in Deutschland sind im Alltag rassistischen Beleidigungen, Benachteiligungen oder sogar rassistisch-motivierten Angriffen ausgesetzt. 2019 zählte das Bundesinnenministerium 7.909 rassistische Straftaten in ganz Deutschland. Das waren rund drei Prozent mehr als im Vorjahr. [Bundesinnenministerium (2020): „Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2019“, S. 5; Glossar der Neuen deutschen Medienmacher: „Ausländerhass, Fremdenfeindlichkeit“.] Laut der „Mitte“-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2019 vertreten rund sieben Prozent der Bevölkerung rassistische Auffassungen. 19 Prozent sind „fremdenfeindlich“ eingestellt, weil sie etwa Aussagen zustimmen wie „Es leben zu viele Ausländer in Deutschland“. [https://mediendienst-integration.de/desintegration/rassismus.html]

Doch was ist eigentlich „Rassismus“? Rassismus ist der irrige Glaube daran, dass die Menschheit in Rassen eingeteilt sei, die sich voneinander wesentlich unterscheiden würden. Rassismus entsteht dort, wo man von den äußerlichen Merkmalen von Menschen direkt auf deren inneren Werte, Verhaltensweisen und deren Persönlichkeit Rückschlüsse zieht. Sind dies positive Rückschlüsse (zum Beispiel das Vorurteil, alle JapanerInnen seien besonders ordentlich), spricht man von „positivem Rassismus.“ Viel häufiger und hochproblematisch ist der „negative Rassismus“, bei dem die jeweiligen Rassisten davon ausgehen, dass ein bestimmter Mensch bösartig, faul, feige, diebisch, und so weiter sei, nur weil er bestimmte äußerliche Merkmale hat, einer bestimmten Religionszugehörigkeit hat oder einer bestimmten ethnischen Gruppe zugehörig ist. Tatsächlich gibt es ja sogar Rassen.

Aber eben nicht bei den Menschen. Es ist ganz einfach zu verstehen: Rassen entstehen dann, wenn in die natürliche Selektion der Evolution eingegriffen wird und künstlich ganz bestimmte Merkmale herbeigezüchtet werden. Das haben wir Menschen bei fast allen Nutz- und Haustieren so herbeigeführt. Am Beispiel der Hunde wird dies sehr deutlich: Ohne das einzelne Exemplar zu kennen, darf man annehmen, dass Husky-Hunde viel und gerne laufen, bestimmte kleine Hunderassen zum Kläffen neigen, Border Collies sehr intelligent sind, Golden Retriever gerne Stöckchen holen und ein Foxterrier einen starken Jagdtrieb hat.

Diese Merkmale wurden diesen Tierrassen teilweise über Jahrhunderte angezüchtet, indem man nur diejenigen Exemplare sich miteinander vermehren ließ, die über die gewünschten Merkmale in ganz besonderem Maße verfügten. Unter den Menschen hat es diese Form der artifiziellen Selektion nie über Jahrzehnte gegeben.

In Artikel 3 des Grundgesetzes steht derzeit trotzdem noch, dass niemand wegen seiner „Rasse“ diskriminiert werden dürfe. Diese 1949 festgelegte Terminologie wurde also bis heute nicht verändert. In den Museen unseres Landes wird heute noch ungeniert koloniale Raubkunst aus Afrika gezeigt und in den Kellern von Universitäten und Instituten liegen heute noch tausende Schädel der Opfer deutscher Kolonialverbrechen – ohne dass sie nach Afrika überführt werden dürfen. In unseren Schulbüchern wird die muslimische Kultur und Religion immer noch als Alterität gezeigt, also als „die Anderen“. Für das Thema „Holocaust“ gibt es im neuen Bildungsplan der gymnasialen Klasse 9 Platz für genau eine Doppelstunde – und die Schulbuchverlage weisen teilweise nur eine Doppelseite für das Thema aus.

Der Kampf gegen den Rassismus muss für unsere Gesellschaft aber eines der zentralsten Anliegen sein: Das singuläre Menschheitsverbrechen des Holocaust war nur möglich, weil der Mehrheit der Deutschen in den 1930er und 1940er Jahren das Schicksal der zu Feinden deklarierten ethnischen Minderheiten egal war. Die Nationalsozialisten konnten Menschen ermorden und vernichten, weil diese nicht von der Gesellschaft geschützt waren – weil sie schon zuvor als Außenseiter und „Minderwertige“ ausgegrenzt worden waren. Sowohl Juden als auch Sinti und Roma wurden durch Propaganda und Terror zunächst ausgegrenzt und aus der Gesellschaft isoliert. Als dies möglich war, wurde diese Ausgrenzung durch die Nürnberger Rassegesetze zum Gesetz gemacht. Auch dies wurde von der Bevölkerung hingenommen, vielfach unterstützt.

Als auch die Novemberpogrome 1938 keine entscheidende Empörung und Unterstützung für die jüdischen MitbürgerInnen entfachte, wurde aus dem staatlich organisierten Terror schrittweise eine gezielte Enteignung und Tötung der Menschen in Gefängnissen, Ghettos und immer mehr in den dafür errichteten Konzentrationslagern. Dies war möglich geworden, da der Nationalsozialismus die jüdischen Mitmenschen zu „Parasiten im deutschen Volkskörper“ erniedrigt hatte, ihnen also jegliche Menschlichkeit abgesprochen hatte und sie zudem zur existenziellen Bedrohung erklärt hatte. Auch dies rief kaum bedeutenden Widerstand in Deutschland hervor, im Gegenteil: Wie der Historiker Götz Aly eindrucksvoll aufgezeigt hat, bereicherten sich viele in Deutschland noch an den Enteignungen, an der Kriegsbeute und an der Zwangsarbeit der so Unterworfenen.

Am Ende stand mit der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 die Planung, Organisation und Durchführung der gezielten Auslöschung aller jüdischer Mitmenschen auf dem gesamten Kontinent. Die Vernichtungslager in Auschwitz-Birkenau, Treblinka, Chelmno, Majdanek, Bełzec und Sobibor ließen dabei den Genozid zu einem industriellen Massenmord werden, der in seiner Unmenschlichkeit und Grausamkeit alles bisher Dagewesene überstiegen hat.

Dieser historischen und gesellschaftlichen Verantwortung will sich die diesjährige Ausgabe der Schülerzeitung „script“ am Gymnasium Renningen stellen. Schülerinnen und Schüler haben sich dabei während der schwierigen Corona-Zeit aus verschiedenen Perspektiven und mit verschiedenen Ansätzen dem Thema Rassismus angenommen. Dabei sind eigene Erfahrungen und Meinungen genauso eingeflossen wie Themen aus dem Schulunterricht der letzten Jahre. Mit unserem Thema und den diesjährigen Beiträgen unterstützen wir dabei das Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und tragen dazu bei, dass heutige Generationen aus der Geschichte lernen: Nur, wenn jeder Einzelne frei ist und Mensch sein kann, können wir alle freie Menschen sein.

Text: Redaktion der Schülerzeitung „script“ am Gymnasium Renningen in Baden-Württemberg

„Zu schnell geflüchtet, um Fuß zu fassen“: Die Gedichte der „Open Mind Night“ an der FOS/BOS Friedberg

Im Folgenden werden nach und nach Gedichte und „Slams“ der „Open Mind Night“ 2022 veröffentlicht.

Winter – Vanessa S.

Meine ersten Schritte gelangen mir mit seiner Hand,

mein erstes Königreich bauten wir aus Sand.

Das erste Mal bin ich gefallen, er fing mich auf,

wir spielten zusammen,

und er nahm seine wichtige Zeit in Kauf.

Tausende Erinnerungen, hunderte Tränen,

tausendmal gelacht, zwischen Wünschen und Plänen.

So viel gewollt, so viel getan und erreicht,

er hat mir gezeigt, das schönste Ziel ist nie leicht.

Jahre spulten vor, ich wurde gut und richtig,

ich habe nichts davon gewusst, als wäre es unwichtig.

Er brachte jeden zum Lachen, verfolgte sein Leben,

dachte, dass sei sein Wille, sein bestimmtes Streben.

Er sagte: „Das Leben wirft Steine auf dich,

versuche auszuweichen, such‘ das Licht.“

Aber das erklärte meine Sorge nicht.

Bis ich verstand, jedes Jahr kommt der Winter.

Doch für ihn jeden Tag.

Egal, was er tat, er schob sein Leid zurück,

was er erreichte, erreichte er mit Arbeit, nicht mit Glück.

Er unterstützte, doch ihn unterstützte niemand,

immer am Lachen, aber den Rücken an der Wand.

Immer am Lachen, aber so oft im Stich gelassen,

Zu schnell geflüchtet, um Fuß zu fassen.

Aber das erklärte meine Angst nicht.

Bis ich verstand, jedes Jahr kommt der Winter.

Doch für ihn jeden Tag.

Was andere zu ihm sagten, erwähnte er nie,

er hörte mir aber immer zu, ich frage mich wie.

Was er durchmachte, war nicht fair,

er hielt durch, als wäre es nicht schwer.

Er erzählt, ich falle auseinander wie eine Perlenkette,

und zerbreche wie Glas.

Aber das erklärte meine Panik nicht.

Bis ich verstand, jedes Jahr kommt der Winter.

Doch für ihn jeden Tag.

Er steht auf, er macht weiter und er gewinnt,

Er sieht die Freude wie ein Kind.

Er ist talentiert, reflektiert und prägt,

Dass er jeden um sich herum rettet, bleibt unerwähnt.

Sieht denn niemand, was für ein Held er ist?

Er malt alles so bunt, doch in ihm ist es trist.

Aber das erklärt meine Hoffnung nicht,

bis ich verstand, jedes Jahr kommt der Winter.

Doch für ihn jeden Tag.

Deine ersten Schritte gelangen ohne Hand,

dein erstes Königreich zerfiel in Sand.

Das erste Mal bist du gefallen, keiner fing dich auf.

Aber ich bin hier,

nehme alles für immer in Kauf.

Bin eine Soldatin und hole dich zurück ins Leben,

und werde die Welt von deinen Schultern heben.

Für dich kommt der Winter jeden Tag.

Dann lass uns vorerst einen Schneemann bauen.

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