In drei Teilen präsentiert unser Autor Gabriel Auszüge aus seinem Reisetagebuch. Die Schülerzeitung der Beruflichen Oberschule Friedberg hatte beim Schülerzeitungswettbewerb der Länder den Onlinepreis gewonnen und wurde von der Jugendpresse nach Berlin eingeladen. Auf dem Programm standen Schreibworkshops und die Siegerehrung im Bundesrat.
01.06.2022
Tag 1
Heute ist es soweit. Ich fahre nach Berlin. Aber die erste Hürde muss ich erst noch überwinden: Aufstehen um 5:30 Uhr. Viel zu früh!!! Und dann noch schnell mein Frühstück essen. Katastrophe! Anschließend nach Augsburg zum Hauptbahnhof fahren. Um 7:46 Uhr fährt unser Zug los. Wir fahren mit der Deutschen Bahn, wir haben ja Zeit und Puffer. Hoffentlich werden es keine acht Stunden Fahrt, wie bei meiner letzten Fahrt. Mal sehen.
Ich sitze im Zug.
Seit zwei Stunden.
Allerdings in guter Gesellschaft. Herr Riegel und Vanessa sind gute Gesprächspartner. Gleich ist es neun Uhr und ich werde eine Klassenkameradin anrufen, damit wir uns gegenseitig Mathe erklären. Vor zwei schlauen Köpfen muss diese Aufgabe einfach zusammenbrechen. Das Telefonat hat wunderbar funktioniert.
Jetzt ist uns beiden alles „Klara“ ;-). Es ist jetzt 9:45 Uhr und wir kommen vermutlich um 12:15 Uhr an. Hoffentlich. Ich bin noch skeptisch. Aber das W-Lan funktioniert und in einer Stunde habe ich meine Mathe-Konferenz auf Teams mit Herrn Drexler. Wird bestimmt interessant. Während ich darauf warte, dass die Konferenz beginnt unterhalte ich mich mit Vanessa. Herr Riegel hört währenddessen Musik.
Um 10:55 Uhr hat die Konferenz wie geplant begonnen. Es ging um bestimmte Wahrscheinlichkeiten. Nicht gerade meine Kernkompetenz, zumindest noch nicht, aber machbar.
Die Zugfahrt geht dem Ende entgegen und ich musste die Konferenz früher verlassen, da wir uns um 12:00 Uhr zum Aussteigen vorbereitet haben.
Nach nur ca. 4 Stunden und 30 Minuten sind wir in Berlin angekommen. Krass! Ging schneller als erwartet.
Nachdem wir um Viertel nach Eins aus dem ICE ausgestiegen sind, sind wir mit der S-Bahn weiter zum Berliner Ostkreuz gefahren. Diese S-Bahn erschien mir etwas schmutziger, als ich es bisher gesehen hatte. Es riecht muffig, der Boden ist staubig und schmutzig. Ich will nicht wissen, was für Keime an den Haltegriffen haften…
Und dann die Menschen, die da drinnen sitzen. Die wirken auf mich etwas grau und farblos. Aber sie tragen zumindest alle Masken.
Ich habe die ganze Zeit meinen Rucksack und meinen Koffer im Auge behalten. Wachsam, stets auf Langfinger achtend. Frei nach dem Motto: Holzauge sei Wachsam. Nur dieses Holzauge sieht fast alles. So ist es auch im Bahnhof weitergegangen.
Und noch mehr „Wandverzierungen“, die heute als Graffitis bekannt sind und sehr viele Menschen.
Somit natürlich auch mehr Möglichkeiten, um von wertvollem Besitz befreit zu werden. Und das wollen wir ja nicht. Ich will meine Geldbörse nicht verlieren und die andere Person nicht ihre Hand.
Denke ich.
Die Straßenbahn, mit der wir dann zur Genslerstraße gefahren sind, ist deutlich ansprechender gewesen. Sauberer und von etwas weniger ominösen Personen besucht.
Noch ein kurzer Fußweg, und dann sind wir schon da. Das A&O Hostel Kolumbus am Stadtrand von Berlin.
Als erstes haben wir schon mal versucht einzuchecken. Aber die Organisatoren der Jugendpresse waren noch nicht anwesend. Was auch noch etwas andauern würde. Aber der Reihe nach.
Wir setzen uns in geringer Entfernung zum Hostel auf eine Bank und plaudern ein bisschen. Über das Einchecken, die Anzahl der Betten, die möglichen Zimmergenossen, die Möglichkeiten essen zu gehen, da ich einige Allergien und Unverträglichkeiten habe und über Sehenswürdigkeiten, die wir uns ansehen wollen.
Um 14:30 Uhr sind wir in den Empfangsbereich zurückgekehrt, mit der Hoffnung einchecken zu können, um unsere Zimmer und Betten zu beziehen und uns kurz auszuruhen, bevor wir Berlin für uns entdecken würden.
Dachten wir zumindest.
14:45 Uhr: Das Orga-Team der Jugendpresse ist noch nicht eingetroffen. Vielleicht stecken sie ja im Verkehr fest. Der Verkehr in Berlin kann Gerüchten zufolge mörderisch sein.
15:30 Uhr: Wer ist da? Jedenfalls niemand von der Jugendpresse. Ich liebe Organisation!
16:00 Uhr: Nach einigem Nachfragen und einem drohenden Stimmungstief erfahren wir: die Mitglieder der Jugendpresse sitzen in der U-Bahn fest.
Preisfrage: Sollte man so etwas, vor allem in einer Großstadt, nicht einplanen?
Es ist 17:00 Uhr. Endlich beginnt das große Checken. Wobei ich nicht checke, was los war.
Vier ehrenamtliche Helfer sitzen hinter dem Ort der allgemeinen Begierde: Dem Check-in-Schalter.
Einem Check-in-Schalter.
Mit vier Personen.
Nächste Preisfrage: Wie viele Personen sind notwendig, um einen einzigen Check-in-Schalter von ca. 4 Metern Breite zu bedienen?
Bonusfrage: Wie viele Check-in-Schalter könnte man aus einem ca. 4 Meter breiten Tisch bilden?
Nach dem ersten großen Ansturm hat sich Herr Riegel in die Schlange gestellt. Vanessa und ich haben auf sein Zeichen gewartet und auf die Koffer aufgepasst.
Dann durften wir endlich, endlich unsere Zimmer beziehen.
Die Freude war allgemein groß.
Als ich mein Zimmer betrat, stellte ich allerdings fest, dass nur noch die oberen Liegeflächen der Stockbetten zur Verfügung standen. Die anderen Betten waren bereits von stillschweigenden Rucksäcken beansprucht worden. Also, Bett beziehen und erstmal probeliegen.
Die Decke ist groß genug.
Das Bett nicht.
Aber immerhin besser als auf im ersten Stock des Zimmers schlafen zu müssen.
Eine Pause war uns allerdings nicht vergönnt.
Gleich darauf mussten wir uns wieder vor dem Hostel versammeln und uns zum Hotel Rossi begeben, wo wir dann begrüßt werden sollten. Die feierlichen Worte wurden von Thomas Bressau, Projektleiter der Länder, vorgetragen.
Anschließend wurde das Büffet eröffnet.
Es gab ein kollektives erleichtertes Aufstöhnen, dann hatten wir den Salat. Er war sehr gut, allerdings habe ich das Dressing nicht probiert.
Als ich zum Hauptgang übergehen wollte, meinte Herr Riegel, ich solle besser nochmals Nachfragen, ob wirklich keinerlei Geschmacksverstärker verwendet wurden. Zu Recht. Es waren welche enthalten.
Glücklicherweise war das Personal so nett, mir etwas Gemüse zu und Reis anzubraten.
Das Gemüse war sehr gut, der Reis eher fade.
Aber das Engagement muss gelobt werden.
Danach hätten wir uns auf dem Empfangsabend mit anderen Schülerzeitungen verbrüdern können. Dieses Angebot schlugen wir allerdings aus.
Berlin wartet auf uns.
Wieder in die Bahn, diesmal zum Bundestag.
Ein schönes altes Gebäude. Und groß. Sehr groß wohlgemerkt.
Das erhoffte erhebende Gefühl blieb allerdings aus.
Anschließend zum Kanzleramt. Das Gebäude sieht von außen aus wie ein großes Einkaufszentrum.
Es gab zu diesem Zeitpunkt in einem Nebengebäude auch eine Veranstaltung von den oberen 10.000. Vermutlich alternative Meinungsbildung der Lobbyisten.
Ein Taschendieb wollte sich meines, ihm fremden, Portemonnaie bemächtigen. Mein Holzauge wurde dessen gewahr. Habe natürlich sofort als Aikido-Ka hart durchgegriffen, sodass der Kleinkriminelle meine Geldbörse fallen ließ. In seiner Wut streifte er meine Nase mit einem wilden Schwinger und lief auf der Flucht der Polizei in die Arme. Ok, stimmt schon, ich hatte einfach Nasenbluten.
Dann zur Charité und passend zum Thema gleich mal zur Ader gelassen.
Ausgehend von der Nase.
I love it like hell, wie mein alter Englischlehrer sagen würde.
Vanessa war so freundlich mir Servietten aus dem nächstbesten Restaurant zu holen.
Jetzt hat Berlin auch ein Andenken an mich. Blutflecken.
Eine ganz persönliche Note meinerseits.
Nach dem Aderlassen ging es weiter zum Brandenburger Tor.
Hier war das Gefühl der Größe und Erhabenheit des älteren Bauwerks deutlich zu fühlen. Bei Nacht ist es sogar noch imposanter. Irgendwie geheimnisvoll.
Gleich im Anschluss noch zum Holocaust-Denkmal.
Und zum Schluss noch eine kleine Begegnung mit alkoholisierten Studenten. Allerdings nur aus der Ferne. Dieser traurige Anblick hat ausgereicht. Nicht erstrebenswert sich in aller Öffentlichkeit selbst zu veralbern.
Im Hotel, um 23:00 Uhr, lerne ich endlich meinen dritten Zimmergenossen kennen. Ein sehr freundlicher junger Mann aus Sachsen.
Ich bin gleich ins Bett.
Ende des ersten Tages.
Text: Gabriel T.