Sind wir mal ehrlich: Sobald der Begriff „Pfadfinder“ fällt, haben die meisten – zumindest diejenigen, die sich mit dieser Thematik bisher wenig befasst haben – ein ganz bestimmtes, klischeehaftes Bild im Kopf.
Aussagen wie „Ihr seid doch die, die jedes Wochenende Kekse verkaufen“ oder „Ihr lauft doch mit Karte und Kompass durch den Wald“ darf man sich als Pfadfinder*in der heutigen Zeit ständig anhören, sobald man beginnt, von seinem Hobby zu erzählen.
Doch so einfach ist es nicht.
Der berühmte Verkauf von Keksen durch Pfadfinder*innen wird so nur in Amerika praktiziert. Da generell viele Trends aus diesem Land nach Deutschland beziehungsweise Europa gekommen sind und man sich Verhaltensweisen im Laufe der Zeit abgeschaut hat, ist es nicht verwunderlich, dass die deutsche Pfadfinderkultur oft mit der amerikanischen gleich gesetzt wird.
Aber nochmal von Anfang an…
Den Grundstein der weltweiten Pfadfinderbewegung legte einst ein britischer Offizier namens Lord Robert Baden-Powell, der sich nach seiner militärischen Laufbahn überwiegend dem „Scouting“ widmete. 1907 organisierte er das erste Pfadfinderlager auf Brownsea-Island, einer britischen Insel, wodurch diese Bewegung innerhalb weniger Jahre große Popularität erlangte. Mit Hilfe seiner Schwester und seiner späteren Frau gelang es ihm das Interesse weltweit auszubauen und auch Mädchen Zugang zur Pfadfinderei zu verschaffen.
Das Ziel von Baden-Powell war es Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu fördern, damit diese zu vollwertigen Bürgern werden und lernen in einer Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen. Dieser Grundgedanke gilt auch heute noch, weshalb Pfadfinder sein viel mehr bedeutet, als sich nur im Wald zurecht zu finden. Denn obwohl Pfadfinderwissen wie Orientierung mit Karte und Kompass durchaus vermittelt wird, liegt der Fokus auf der Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, sowie dem Entdecken und Erleben der gemeinsamen Umwelt.
Heutzutage haben sich in unterschiedlichen Ländern viele unterschiedliche Verbände entwickelt, die aber alle zu den beiden Weltpfadfinderverbänden gehören und demnach eine große Gemeinschaft formen. Durch die jeweiligen kulturellen Einflüsse hat logischerweise jedes Land so seine eigenen Traditionen, wie Amerika das Kekse-Verkaufen. So ein Fünkchen Wahrheit findet sich also doch in jedem Klischee.
Trotz dieser – auf den ersten Blick – enormen Unterschiede weisen alle Pfadfinderkulturen der Welt auch gleiche Merkmale auf, wie das Aufteilen der Jugendlichen in verschiedene Altersstufen, um optimal auf die jeweilige Bedürfnisse eingehen zu können. Ebenfalls erkennt man Pfadfinder*innen meist am Tragen eines Halstuches oder deren „Tracht“, die zwar ebenfalls variiert, aber in den wesentlichen Merkmalen übereinstimmt.
Man trifft sich zudem regelmäßig, um gemeinsam verschiedenste Aktivitäten zu unternehmen und sich untereinander auszutauschen. Es wird gespielt, gebastelt und gelacht – typische, moderne Jugendarbeit. Damit das pfadfinderische Element aber nicht zu kurz kommt, macht man gerne auch mal Schnitzeljagden im Wald mit Hilfe internationaler Wegzeichen oder fährt zusammen auf ein (Zelt-)Lager – egal ob national oder international.
Und ja, gezeltet wird dabei auch. Und abends sitzt man gemeinsam am Lagerfeuer, isst unterschiedliche, meist auch internationale Lagerfeuersnacks wie Stockbrot oder S’mores und singt gemeinsam zur Gitarrenbegleitung. Richtige Pfadfinder eben!
Es steht stets die Gemeinschaft und das Beisammen-Sein im Mittelpunkt, weshalb viele Pfadfinder*innen von einer riesigen Pfadfinder-Familie sprechen. Denn egal wo man hinkommt, es gibt (fast) überall auf der Welt Pfadfinder, die nach den gleichen Grundsätzen leben und bei denen man sich immer wie zuhause fühlen darf.
Das mag für den ein oder anderen jetzt vielleicht verrückt klingen, aber wenn man bereits als Kind mit diesem großen Gefühl der Gemeinschaft und des Vertrauens aufwächst und das einem auch durch die Eltern – meist ehemalige Pfadfinder*innen – vermittelt wird, ist man das ganze Leben lang davon geprägt.
Da einen diese ganzen positiven Erlebnisse und Eindrücke nicht mehr so schnell los lassen, existiert auch der Spruch „once a scout, always a scout“.
Von unserer Autorin Johanna S.