Von klein auf wurde uns beigebracht, unsere Sachen mit anderen Menschen zu teilen. Seien es einfach nur bunte Holzstifte oder auch die süßen Bonbons. „Ach, sei doch nicht so und gib ihr auch eins“ oder „Bald bekommst du es zurück, keine Sorge!“ sind ganz normale Sätze, die jeder von uns schon mal als ein kleines Kind gehört hat. An sich stimmt das auch, die Sachen waren nach einiger Zeit wieder an ihrem Platz und alles war gut. Oft war es sogar so, dass man mit den Spielzeugen der anderen Kinder spielen konnte und von ihnen Süßigkeiten bekommen hat. So wurde uns damals durch Spiel, Spaß und Freude das „harmlose Teilen“ beigebracht.
Später im Schulleben, dann das „verantwortungsvolle Leihen“. „Kann ich mir kurz deinen Radiergummi ausleihen? Ich hab meinen vergessen.“. Wem wurde diese Frage noch nie gestellt? Seine Schulsachen mit den Klassenkameraden zu teilen, gehört zum Alltag aller Schulkinder und in der Regel halten sich auch alle dran und geben das geliehene Schulmaterial wieder zurück, wenn sie es nicht mehr brauchen – immerhin gehören diese Sachen ja nicht ihnen.

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Aber das beste Beispiel für das verantwortungsvolle Ausleihen in der Schulzeit sind die allbekannten Schulbücher, denn wer seines nicht mehr findet, muss plötzlich zahlen! Das gabs davor nicht. Teilen, leihen, austauschen. Alltagsbegriffe, denen die meisten mit positiven Gefühlen begegnen, denn wie heißt es im Englischen so schön? „Sharing is Caring!“. Doch gilt dieser Slogan auch für unsere Umwelt?

Seit den 2010er-Jahren wird in viele EU-Staaten fleißig „geteilt und geliehen“. Laut den Statistiken der Europäischen Kommission sind die Top 3 der EU-Länder mit der größten Nutzung der allgemeinen Sharing-Angebote Frankreich, Irland und Deutschland, wobei die Deutschen vor allem Transportmittel und Werkezeuge untereinander teilen. Brauchst du ein größeres Auto beim Umziehen? Kein Problem, kriegst du. Ein spezieller Bohrer und ein wunderschönes Hochzeitskleid sind auch im Angebot. Die Vielfalt an Gütern, die im Internet heutzutage ausleihbar sind, hat keine Grenzen. Es gibt immer jemanden, der bereit ist, etwas Teures oder Ausgefallenes auszuleihen. Kaufen musst du es auf jeden Fall nicht. Willst du einmal im Leben auf das Oktoberfest gehen und brauchst ein Dirndl oder eine Lederhose, um das volle Erlebnis zu genießen? Diese Dinge sind furchtbar teuer, da erstarrt man schon bei dem Anblick des Preisschildes. Doch hab‘ keine Angst, die netten Menschlein im Internet geben dir unglaublich gerne das Kleid für viel weniger. Da freut sich auch dein Geldbeutel. Einfach sich das schöne Stück aussuchen, einen Deal abschließen und „Ding Dong“ schon ist dein ausgeliehenes Dirndl mit der Post da.

„Aber warte mal, was? Mit der Post? Geht’s noch? Das sind doch nur zusätzliche CO₂-Emissionen, denk an unsere Umwelt.“

Da mag sich der eine oder andere aufregen. Doch ist an dieser Aussage wirklich was dran? Unsere heutige Digital-Gesellschaft kauft gerne und oft Kleidung online ein, ohne wirklich zu wissen, ob sie sie haben wollen. Die Kleidungsstücke kommen an, sie werden anprobiert, passen nicht oder gefallen einem doch nicht und „Schwupps“ werden sie in einen Karton gesteckt und zurückgeschickt. Also wird genauso viel CO₂ ausgestoßen wie beim Ausleihen eines Kleidungsstücks online.

Und was ist sonst noch so schön am Teilen? Richtig, die Güter und Gegenstände werden nicht unnötig in Boxen oder Schränken gefangen gehalten, sondern „ins Freie gelassen“ und von anderen Menschen mit Freude genutzt. Unsere Werkzeuge, Kleidung und Fahrzeuge wurden gemacht, um benutzt zu werden, nicht um den ganzen Tag in der Ecke zu liegen, beziehungsweise in Schränken zu schlummern. Da ist es besser, wenn die selten genutzten Güter mehr Menschen zur Verfügung gestellt werden.
Die meisten Gegenstände gehen mit der Zeit auch schneller kaputt, wenn sie unbenutzt bleiben. Denkt an die Batterien und Akkus! Am Ende ist man gezwungen, sich diesen Gegenstand noch nachzukaufen, weil er zu lange nicht verwendet wurde. Da hätte der Besitzer ihn doch verleihen können – auf jeden Fall hätte er auch was davon gehabt, genauso wie die Umwelt. Beim Ausleihen können nämlich Ressourcen gespart werden, aufgrund dessen, dass mehr Produkte im Umlauf sind und dementsprechend weniger hergestellt werden muss.

So schön die Idee der „Sharing Economy“ auch klingen mag, dürfen wir nicht vergessen, dass wir dadurch dazu neigen, mehr zu konsumieren oder uns durch das eingesparte oder verdiente Geld mehr Sachen erlauben. „Wieso sollte ich mit dem Fahrrad fahren, wenn ich mir doch ein Auto ausleihen kann?“ oder „Ich habe in den letzten Monaten so viel Geld gespart, die Flugreise nach Spanien ist so gut wie umsonst!“ sind gute Beispiele für die Denkweisen Einiger, die an der „Sharing Economy“ teilnehmen. Dieser zusätzlicher Konsum bedeutet eine zusätzliche Belastung für die Umwelt. Hoppla, wohl doch nicht so nachhaltig wie gedacht.

Also kann die „Sharing Economy“ positiv zum Umweltschutz beitragen? Diese Frage zu beantworten ist nicht leicht, da hier sehr viele Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Aber eins ist sicher: mit einer guten und nachhaltigen Einstellung unserer Gesellschaft, kann das Konzept der „Sharing Economy“ unsere Umwelt um einiges entlasten. Zwar ist in den meisten Fällen Geld der Ansporn für das Teilen und nicht etwa das Bedürfnis mit anderen zu teilen, doch es gibt auch reflektierte Menschen, die ihr Eigentum teilen, um unserer Umwelt zu helfen. Es sollte mehr von ihnen geben, denn seien wir mal ehrlich – Teilen ist eine schöne Angelegenheit!

Kommentar von Kamila S. vom 23. November 2019