„Bürgergeld setzt auf eine Kultur des Vertrauens“: Interview mit SPD-Politikerin MdB Annika Klose

„Friedo“-Autor Gabriel traf die 30-jährige SPD-Politikerin Annika Klose, Mitglied des Bundestags und ehemalige Vorsitzende der Berliner Jusos, für ein Interview im Otto-Wels-Haus.

Hallo Frau Klose, danke, dass Sie sich Zeit für dieses Gespräch nehmen!

Sie sind in Dortmund geboren und wuchsen in Klaustaal-Tellerfeld auf. Was hat Sie denn hierher nach Berlin verschlagen?

Ich war mit 19 fertig mit meiner Schule, hatte gerade frisch Abi gemacht und habe den Großteil meines Lebens in einer Kleinstadt gelebt. Für mich war das so ein totales „Freiheitsding“, da endlich mal weg und raus zu kommen. Ich war schon damals eher links orientiert und hatte auch schon so ein paar politische Ideen. Ich hatte das Gefühl, den linken Rand in der SPD darzustellen. Und ich war schon ein paar Mal in Berlin. Für mich war das hier immer ein freies Lebensgefühl. Außerdem hatte ich dann das Glück, dass ich hier für einen Studienplatz der Sozialwissenschaften angenommen wurde. So kam es, dass ich mit 19 allein hierhergezogen bin.

Was gefällt Ihnen so sehr an Berlin?

Also, dass die Leute mehr machen können, was sie wollen, es eine „linke Kultur“ gibt und auch viele freie Flächen. Was ich an Berlin so liebe ist, dass diese Stadt nicht fertig ist. Diese Stadt lebt einfach, und das habe ich lieben gelernt.

Jetzt ist es ja 10 Jahre später, und Sie gehören mit nur 29 Jahren zu den jüngsten Mitgliedern des Bundestags. Wie fühlt sich das für Sie an?

Immer noch ein bisschen surreal muss ich sagen. Das ist natürlich sehr schön, dass ich hier jetzt Abgeordnete sein kann und auch Gesetze mit verhandle, mit beschließe und so weiter. Ich habe immer schon für meine Ideale Politik gemacht und versucht Mehrheiten zu organisieren und mich in linken Bündnissen eingebracht, auch bei den Jusos und habe dann auf Landesebene versucht die SPD immer weiter nach „links“ zu treiben. Für mich ist das irgendwie folgerichtig gewesen, dass ich jetzt auch selber Verantwortung übernehmen muss. Und das kann ich hier jetzt im Deutschen Bundestag, und kann es in Teilen aber wiederum auch nicht.

Und warum nicht?

Im „Arbeit- und Soziales-Bereich“, in dem ich tätig bin, kommen viele Gesetze als Vorlage aus dem Ministerium und darauf habe ich nicht so viel Einfluss. Und das festzustellen, dass man auch im Bundestag auf vieles nur mittelbar Einfluss hat, ist schon interessant, weil ich dann auch wieder in einer Rolle bin zu kritisieren, oder nach „links“ zu pushen.

Auf Ihrer Website haben Sie geschrieben, Sie seien im Bundestag, „um etwas zu verändern“. Was genau wollen Sie denn jetzt verändern?

Verändern möchte ich sehr viel. Zuständig bin ich dafür, dass Hartz IV endlich abgeschafft wird, und wir das Bürgergeld einführen. Und das ist etwas, das ich auch die letzten Jahre immer schon kritisiert habe und Kampagnen dafür gemacht habe. Dieses Ziel kann ich jetzt konkret verfolgen.

Sie sind dafür, dass Hartz IV abgeschafft wird. Wieso sind Sie der Meinung, Bürgergeld ist die beste Alternative dafür?

Ich bin der Meinung, dass Hartz IV eine schlechte Alternative ist und dass in diesem System viel falsch ist. Und das Bürgergeld ist jetzt unser Konzept, um das Hartz IV-System zu beenden.

Was unterscheidet das Bürgergeld von dem Hartz IV-System?

Wir wollen das alte loswerden, das neue konstruieren, und ich glaube, dass das auch nötig ist, einen wirklichen Schnitt zu machen und zu sagen: Nein, das wollen wir nicht mehr! Das Bürgergeld setzt vor allem auf eine Kultur des Vertrauens und des Miteinanders und stellt die Bedürfnisse der individuellen Person in den Mittelpunkt und das macht das Hartz IV-System nicht. Hier geht es darum, dass man möglichst schnell wieder den nächstbeliebigen Job annimmt, also die sogenannte Hilfsbedürftigkeit beendet. Dazu werden Sanktionen eingesetzt. Zusätzlich gibt es noch den Vermittlungsvorrang, das bedeutet, wenn jemandem etwas angeboten wird, muss er es annehmen, sonst wird man sanktioniert. Und hier bei dem Hartz IV-System stehen die Interessen der einzelnen Personen oft hinten an.

Wo sehen Sie konkrete Vorteile im Bürgergeld?

Das Bürgergeld steht dafür, die Menschen, die das Bürgergeld beantragen, zu unterstützen und ihnen mitzuteilen, dass sie keine Bittsteller sind, die kommen und Hilfe erhalten, weil wir als Gesellschaft so nett sind, sondern, weil das soziale Rechte sind. Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Würde des Menschen unantastbar ist, Artikel 1, Grundgesetz, und nach dem Sozialstaatsprinzip und das bedeutet für mich, dass die Menschen ein Anrecht darauf haben, auch ein Existenzminimum zu erhalten, das Teilhabe ermöglicht. Und Teilhabe bedeutet für mich, dass die individuellen Wünsche respektiert werden und dass man sich aussuchen kann, was für einen Beruf man ausüben möchte, ob ich dafür eine Weiterqualifizierung benötige oder ob ich eine neue Berufsausbildung machen möchte.

Also sehen Sie in der Individualität den größten Vorteil?

Ja, in der Individualität und in der Augenhöhe, also darin, dass den Menschen wirklich mit Würde begegnet wird und zwar im gesamten Prozess.

Die Mehrheit des deutschen Parlaments ist ja im Schnitt älter als Sie und männlich. Bereitet Ihnen das als junge, weibliche Abgeordnete Probleme?

Ja, teilweise schon. Ich würde sagen, das hat aber nicht erst im Parlament angefangen. Als junge Frau Politik zu machen hat mich auch vorher schon oft vor Herausforderungen gestellt, weil ich das Gefühl habe, dass ich als junge Frau oft nicht ernst genommen werde. Das muss man zunächst unter Beweis stellen. Ich habe das Gefühl, dass man immer zu 130 Prozent auf alles vorbereitet sein muss. 100 Prozent reichen nicht aus, wie bei meinen männlichen Kollegen. Man muss sich alles erarbeiten.

Wie erleben Sie persönlich politischen Wahlkampf für sich und ihre Partei?

Ich bemerkte im Wahlkampf, dass manche Wähler:innen sehr skeptisch waren: „Sie als junge Frau mit 29. Da gehen sie doch besser erst mal 10 Jahre arbeiten“, war dann oft das, was ich hörte. Oder aber: Werden Sie doch erst einmal Mutter. Da denke ich mir: ja, ist nett, wenn man das möchte, aber was hat denn Mutter werden mit meiner politischen Kompetenz zu tun? Nichts! Einem Mann würde das mit Sicherheit nicht gesagt werden. Solche Aussagen höre ich hier im Parlament zwar nicht, aber unterschwellig merkt man schon etwas. Also nicht dieses „Mutter werden“ oder „Arbeiten gehen“, sondern dieses Abwarten und Austesten. Interessant finde ich allerdings, dass nicht nur ältere Männer so reagieren, sondern auch ältere Frauen. Vor allem die Frauen, die schon länger im Parlament sind, neigen dazu, so zu denken und zu handeln.

Was ist denn ein Beispiel für ein schlimmstes Erlebnis, das Sie in Ihrer politischen Laufbahn hatten?

Also so wirklich schlimme Sachen sind mir bisher nicht passiert, es ist manchmal eher subtiler. Zum Beispiel wollte ich im Parlament eine Rede halten. Ich wurde dann aufgerufen mit,“ Und jetzt die charmante Kollegin Klose“. Bei so einer Aussage denkt man sich schon: Ja, das würde wahrscheinlich zu einem Mann nicht gesagt werden. Dann gehe ich ans Redner:innenpult und sah den Mann, der diese Sitzung geleitet hat. Ich habe meine Rede gehalten und sehr negativ über Hartz IV-Sanktionen berichtet. Und irgendwann hat er dann hinter meinem Rücken mit den Augen gerollt. Das darf er gar nicht.

Welchen Umgang wünschen Sie sich hier als junge Parlamentarierin?

Als Sitzungsleitung gilt es Neutralität zu wahren. Man kommentiert das subtil. Wenn man sich Bundestagsdebatten ansieht, spielt sich alles in einem Raum ab, auf den man keinen Einfluss hat. Und das diskreditiert mich, wenn ich rede, und der Parlamentspräsident hinten mit den Augen rollt. Das signalisiert jeder Person im Raum und jeder Person Fernsehen, das ich nicht ernst zu nehmen bin. Das ist jetzt gar kein Spruch, es ist einfach die Art des Umgangs, die unterschwellig mitschwingt, und mich abwertet.

Was denken Sie sind in naher Zukunft die besten Mittel, um eine bessere Generationsgerechtigkeit zu erreichen? Sollte Bildung zum Beispiel Bundessache sein?

Ich weiß nicht, ob der Bund alles besser regelt als die Länder. Ich glaube, es gibt viele verschiedene Lernkonzepte. Ich will mich nicht für die eine oder andere Variante aussprechen, aber ich glaube, wie brauchen ein gut ausfinanziertes Bildungssystem. Wir brauchen genug Geld, das in Bildung investiert wird. Außerdem bin ich eine große Vertreterin von kostenfreier Bildung von der Kita bis zum Universitäts-Abschluss. Ich setze mich dafür ein, dass keine Gebühren dafür gezahlt werden müssen, Essen in der Schule zu erhalten und dass auch die Nachmittagsbetreuung kostenlos ist. Manche Bundesländer machen das, Berlin zum Beispiel, aber viele nicht. Das finde ich problematisch, weil Bildung noch vom Geld der Eltern abhängig ist.

In welche Bereiche sollte künftig stärker investiert werden?

Ich glaube, dass bei dem Thema Generationengerechtigkeit die Investitionen eine bedeutende Rolle spielen. Das wird in dieser Koalition einen Konflikt auslösen. Wir müssen Geld in die Hand nehmen, um Maßnahmen für den Klimaschutz zu ergreifen, um unser Bildungssystem besser aufzustellen, um unseren Sozialstaat zukunftssicher aufzubauen, um unsere Bundeswehr auszurüsten und um unsere Hochschulen auszubauen. Das sind alles Investitionen, die nötig sind. Wir wollen später darüber verfügen können. Mit der „Schwarzen Null“, der Schuldenbremse, ist das aber sehr schwer zu erreichen, zumindest, wenn man die Steuern nicht verändert. Das ist ein Konflikt, der ist nicht gelöst. Ich glaube eine zukunftsgerechte Politik sieht vor, dass das nötig Geld dafür zur Verfügung gestellt wird.

Sie meinten gerade eben, Sie würden sich nicht für ein Bildungssystem entscheiden. Sind Sie also gegen ein einheitliches Bildungssystem in Deutschland?

Ich denke, dass es von Nutzen wäre, wenn die Bildungssysteme kompatibler wären. Wenn man von einem Bundesland ins nächste zieht, muss man nicht alle Bücher neu kaufen oder vollkommen von vorne beginnen muss oder neu anfangen. Und wenn die Abschlüsse vergleichbarer wären. Aber ich bin nicht für ein zentrales Bildungssystem, weil ich denke, dass es vorteilhaft ist, dass man es regional anpassen kann, sodass man auch lokale Themen in den Plänen berücksichtigen kann und weil ich es für gut befinde, dass progressivere Bundesländer, die eine progressive Landesregierung haben, zum Beispiel Modelle wie Gemeinschaftsschulen erarbeiten können, was in Bayern mit der CSU unmöglich ist. Wenn alles vereinheitlicht wird, dann können man auch Pech haben, und einen CSU-Bildungsminister wählen. Also ich brauche das bayerische Bildungssystem nicht.

Apropos Bildung und Schüler, viele Schüler:innen unserer Generation engagieren sich ja in Organisationen, wie „Fridays For Future“, oftmals aber nicht in Parteien. Woran glauben Sie liegt das?

Ich glaube, dafür gibt es mehrere Gründe. Die Bindung an feste Organisationen nimmt insgesamt ab. Die Denkweise: „Man geht in eine Organisation und bleibt da“ ist glaube ich insgesamt ein bisschen unattraktiver geworden. Es ist somit sehr klar abgrenzbar. Wenn man Mitglied einer Partei ist, dann ist das Spektrum der Themen, die diskutiert werden, sehr groß. Und gleichzeitig benötigt Parteiarbeit enorm viel Zeit.

Die jungen Menschen, die in Parteien sind, werden ja aktuell auch relativ wenig in Parlamente gewählt. Auch im neuen Bundestag sind Sie als junger Mensch in der Minderheit. Was könnte man tun, damit mehr junge Menschen ins Parlament gewählt werden?

Ja, wir sind noch in der Minderheit, aber in der SPD-Fraktion sind etwa ein Viertel der Parteimitglieder unter 35. Das sind mittlerweile 25% und das ist relativ gut. Es kann natürlich immer noch mehr sein, aber ich fände es gut, wenn es ungefähr so vertreten wäre, wie es in der Bevölkerung vertreten ist. Wir sind mehr als 25%, aber auch keine Mehrheit. Damit mehr Leute in die Politik gehen! Wir sind schon wichtige Schritte gegangen, nämlich dieses Beispiel auch zu setzen, zu zeigen, nicht nur den jungen Menschen, sondern halt auch den älteren, dass junge Personen Verantwortung übernehmen wollen und können.

Worin sehen Sie Vorteile einer Verjüngung des Parlaments?

Junge Abgeordnete machen nicht schlechtere Politik, aber vielleicht andere. Und das ist Demokratie. Ich glaube das ist ein Kulturwandel, und ich glaube, zum einen geht es darum, dass mehr junge Leute den Entschluss fassen, dass sie das auch wollen. Geschenkt bekommt man es nämlich nicht. Man muss dafür kämpfen, auch das ist Demokratie. Dass man sich durchsetzen muss. Wir müssen auch besser in der Organisierung werden und uns auch gegenseitig als junge Leute in diesen Parteien den Rücken stärken. Und den Mut haben, bei einer Person mit dem Wunsch zu kandidieren, dieser auch die nötige Unterstützung zukommen zu lassen oder bei Anfeindungen zu widersprechen und sei es auf Twitter.

Mit Blick auf die junge Generation, finden Sie, dass Gewerkschaften eine Zukunft haben?

Absolut! Ich glaube wir brauchen dringend starke Gewerkschaften in diesem Land, weil sie der Garant dafür sind, dass unsere Arbeitsbedingungen erträglich sind und dass die Löhne steigen. Und die Gewerkschaften stehen jetzt schon unter enormem Druck und verlieren auch Mitglieder. Ich glaube, es ist schlecht, dass sie schrumpfen.

Worin denken Sie zeigt sich der Nutzen von Gewerkschaften?

Es zeigt sich, dass in Bereichen, in denen die Gewerkschaften stark und gut organisiert sind, die Löhne größer und die Arbeitsbedingungen besser sind. Zum Beispiel die Metall- und Elektroindustrie, also unter anderem Stahlwerke. Die Arbeitnehmer haben in der Regel eine 35 Stunden-Woche und sehr gute Gehälter. Und das kommt nicht von allein, sondern weil die sich das erkämpft haben. Bereiche, in denen Gewerkschaften nicht so gut aufgestellt sind, beispielsweise im Bereich der Pflege, da ist es auch deutlich schwerer, all das zu organisieren.

Und wie lässt sich dieses Problem lösen?

Das ist nicht die Schuld der Gewerkschaften, auch nicht die der Menschen im System. Wir brauchen den Zusammenschluss, um bessere Löhne und Tarifverträge durchzusetzen. Und das machen die Gewerkschaften gerade. Es gibt bundesweit Streiks in den Krankenhäusern. Und hier in Berlin haben sie jetzt zum Beispiel einen Entlastungstarifvertrag durchgesetzt, das heißt, wenn man in einer unterbesetzten Schicht arbeitet, erhält man zusätzliche Urlaubstage. Und das hält die Krankenhäuser dazu an, mehr Personal einzustellen, obwohl es sie mehr kostet. Das würde halt nicht passieren, hätten wir keine Gewerkschaften. Also bete ich dafür, dass die Gewerkschaften eine Zukunft haben und arbeite aber auch dafür, indem ich es immer wieder betone.

Frau Klose, vielen Dank für das Gespräch!

Aufzeichnung des Interviews: Gabriel T.

Foto: V. Michel/L. Pramann

Das Interview mit Annika Klose im Otto-Wels-Haus entstand am 2. Juni 2022 im Rahmen des Schreibworkshops „Interview: Meet & Talk im Bundestag“ mit Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Referentinnen Viviana Michel und Lisa Pramann hatten den Schüler:innen zuvor die benötigten Fragetechniken und Skills vermittelt.

Die Schülerzeitung der Beruflichen Oberschule Friedberg hatte beim Schülerzeitungswettbewerb der Länder den Onlinepreis gewonnen und wurde von der Jugendpresse nach Berlin eingeladen. Auf dem Programm standen Schreibworkshops und die Siegerehrung im Bundesrat.

Lauterbach und Co.: Die Witze der Woche sind zurück!

1. Reporter: Herr Lauterbach, Sie waren ja mal Experte, aber in letzter Zeit ist davon nicht mehr viel zu sehen. Warum?
Lauterbach: Wenn der Politiker spricht, hat der Experte zu schweigen.

2. Vor 20 Jahren habe ich mit nur 5€ Eier, Brot, Wurst, Milch und Zigaretten nach Hause gebracht.
Heute geht das nicht mehr. Überall Kameras.

Dit is‘ Berlin! Trommelwirbel, Ramelow und Fritten zum Abschied (Teil 3)

In drei Teilen präsentiert unser Autor Gabriel Auszüge aus seinem Reisetagebuch. Die Schülerzeitung der Beruflichen Oberschule Friedberg hatte beim Schülerzeitungswettbewerb der Länder den Onlinepreis gewonnen und wurde von der Jugendpresse nach Berlin eingeladen. Auf dem Programm standen Schreibworkshops und die Siegerehrung im Bundesrat.

03.06.22

Tag 3

Der letzte Tag in Berlin ist angebrochen. Heute findet die Preisverleihung des Schülerzeitungswettbewerbs der Länder im Bundesrat statt. Danach reisen wir wieder ab.

Ich bin heute schon um 4:50 Uhr aufgewacht. Das Bett ist einfach nicht bequem. Und danach bin ich auch nicht wieder eingeschlafen. Wird eine Feier der Ermüdeten heute.

Der Verschlafenheitspreis geht an mich.

Erstmal vorzeigbar machen. Heute Hemd, Stoffhose und eine schicke Uhr. Man kommt ja nicht jeden Tag in den Bundesrat.

Das Frühstück beginnt wie immer um 7:30 Uhr. Allerdings ist es da schon überfüllt sozusagen.

Glücklicherweise war Herr Riegel schon früher aufgestanden und hatte an einem Tisch platzgenommen. Allerdings nur für zwei Personen.

Es ist also ganz schön eng. Vor allem weil noch ein anderer Lehrer aus Baden-Württemberg hinzukam.

Ein sehr netter Herr, der im Gegensatz zu Frau Klose, das Bayerische Schulsystem für besser als das von Berlin hält.

Guter Mann!

Wir erzählen von unseren Schülerzeitungen und Herr Riegel und der Lehrer tauschen ihre E-Mail-Adressen aus.

Könnte nützlich sein für spätere Kooperationen und gemeinsame Projekte.

Dann schnell Frühstücken und das Gepäck holen, denn wir mussten schon auschecken. Gleich im Anschluss an die Preisverleihung im Bundesrat geht es schon in Richtung Bahnhof.

Als wir im Bundesrat ankommen ,müssen wir unsere Koffer abgeben und unsere Ausweise vorzeigen. Durchsucht werden wir allerdings nicht. Wir sind ja alle brav, oder nicht?

Zuerst eine Spannungssteigerung: Warten vor den geschlossenen Türen des Bundesrates im Vorraum mit Erfrischungsgetränken.

Die Spannung steigt. Zumindest bei mir.

Nach 15 Minuten geht es dann endlich los.

Einlass in den Bundesratssaal, und erst mal die Richtigen Plätze suchen.

Natürlich zuerst der Tisch in Bayern. Von da kommen wir ja.

Aber nein. Leider nicht.

Aber in Sachsen-Anhalt wurden wir fündig.

Foto: Riegel
Foto: Riegel

Hinsetzen.

Spannung steigt weiter.

Bodo Ramelow spricht mit den jüngeren Gewinnerinnen und Gewinnern.

Dann geht es endlich los.

Trommelsolo.

Im wahrsten Sinne des Wortes. Es wurde extra eine Band engagiert, um die Stimmung aufzulockern. Allerdings nur mit mäßigem Erfolg, meiner Meinung nach. Die Trommeln waren zu laut, und im Nachhinein hatten wir alle Kopfschmerzen.

Es hat auch wieder nicht ganz zum Thema der Veranstaltung gepasst, wie die Jongleure. Aber es muss gelobt werden, dass sie einen sehr guten Rhythmus hatten.

Irgendwann sind wir dran.

Spannungshöhepunkt.

Eine kurze Lobesrede von Bodo Ramelow und dann die Urkunde und eine Blume. Die haben wir im Nachhinein an eine andere Gruppe abgegeben. Den Transport nach Augsburg hätte sie wohl nicht überlebt. Bei etwa 5 Stunden Zugfahrt wäre die Pflanze bestimmt nicht so begeistert, um es mal durch die Blume zu sagen.

Dann versank alles in einem Nebel aus Applaudieren.

Foto: Jugendpresse Deutschland/Christopher Folz
Foto: Jugendpresse Deutschland/Christopher Folz
Foto: Jugendpresse Deutschland/Christopher Folz
Foto: Jugendpresse Deutschland/Joscha F. Westerkamp
Foto: Jugendpresse Deutschland/Joscha F. Westerkamp

Irgendwie war es mehr Applaus als Preisverleihung.

Natürlich wurde alles von einer Reporterin geleitet, sodass darüber noch ein Artikel verfasst werden kann.

Dann, gegen 12:00 Uhr: Ende des Applauses, Beginn des Blitzens. Wer den Bundesrat ohne professionelles Foto verlassen möchte ,wird mit deutlichen Worten im Bundesrat zum Bleiben „überredet“ und darf erst nach dem Foto gehen.

Nein, wir wurden förmlich dazu genötigt, ein Foto von uns schießen zu lassen. Sonst hätten wir uns nur ohne Gepäck davonstehlen können.

Aber so ein Foto ist ja schnell geschossen. Noch die Merkel-Raute mit eingebaut, die wollte ich schon immer mal in einem politischen Gebäude zeigen, und dann raus aus dem Bundesrat, mit veganer Duft-Spur in Form von chemischen Zusätzen, da wir noch Brotzeit mitbekommen hatten. Unsere Erkennungsmarke.

Es war erst 12:30 Uhr, also hatten wir noch genügend Zeit durch Berlin Stadtmitte zu gehen und eine Kleinigkeit, möglichst ohne Chemie zu uns zu nehmen, was uns auch gelang.

Ein Kaffee im „Einstein Kaffee“. Der Kaffee war gut, das Personal nicht.

Und zum Abschluss noch ein paar Pommes. Allerdings selbst gemachte, vom „Frittenwerk“. Sehr zu empfehlen.

Anschließend zum Südkreuz und von da in den ICE Richtung Bayern.

Die Berge habe ich vermisst. Berlin ist ja plattes Land.

Da sieht man schon morgens, ob mittags jemand zu Besuch kommt.

Zu Hause angekommen, sind wir allerdings erst nach zirka fünf Stunden Fahrt.

Ein Zug vor uns ist stehen geblieben, deshalb mussten wir etwas warten.

Angekommen sind wir um 20:15 Uhr.

Ich wurde von meinen Eltern abgeholt. Zu Hause musste ich dann lang und breit von unseren Erlebnissen in Berlin erzählen.

Dit war Berlin in Kurzform.

Text: Gabriel T.

Dit is‘ Berlin! Akrobatik, Workshops und kulinarisches Sightseeing (Teil 2)

In drei Teilen präsentiert unser Autor Gabriel Auszüge aus seinem Reisetagebuch. Die Schülerzeitung der Beruflichen Oberschule Friedberg hatte beim Schülerzeitungswettbewerb der Länder den Onlinepreis gewonnen und wurde von der Jugendpresse nach Berlin eingeladen. Auf dem Programm standen Schreibworkshops und die Siegerehrung im Bundesrat.

Beim Schülerzeitungskongress in der Friedrich-Ebert-Stiftung am Donnerstag, dem 2. Juni 2022, konnten sich die Gewinnerredaktionen des Schülerzeitungswettbewerbs der Länder 2022 bei Gruppendiskussionen austauschen, ihre Medienkenntnisse in Workshops vertiefen und sich untereinander vernetzen. Das Programm wurde durch den Jongleur Yvon Fragniere aufgelockert. 

02.06.22

Tag 2

Heute sind sie dran. Die Workshops, nicht die Mitarbeiter.

Aber erst die Routine. Aufstehen, das erste Mal spontan um 5:30 Uhr, weil das Bett unbequem war, das zweite Mal geplant um 6:30 Uhr, weil der Wecker geklingelt hat. Dann warten bis 7:30 Uhr, um zu frühstücken.

In der Kantine war schon viel los, allerdings konnte ich uns einen Vierertisch aktiv reservieren, also einfach hinsetzen.

Zum Frühstück gab es Müsli, Semmeln mit diversen Aufstrichen oder Käse und Wurst. Natürlich auch Butter und Frischkäse, allerdings nur abgepackt in Plastik.

Also, für die anderen Gäste.

Für mich Brot. Mit Cashewcreme. Ganz schön trockene Angelegenheit.

Der Tee war allerdings vorzüglich. Earl Grey mit einem leichten Zitronenaroma. Der Kaffee soll wohl eher mäßiger Qualität gewesen sein. Filterkaffee von einer Stärke, die sogar einen Löffel zum Tanzen bringen würde.

Anschließend an das Frühstück das erste Reiseabenteuer.

45 Minuten in die Innenstadt zum Standort der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Hier wurden wir von der Leitung der Jugendpresse Helene Fuchs und Verantwortlichen der Friedrich-Ebert-Stiftung begrüßt. Dann zur Auflockerung Jonglage.

Nur leider nicht mit Wörtern. Ein selbst geschriebenes Gedicht, oder ein paar einleitende Worte mit amüsanten Wortspielen wären angemessener gewesen. Nach der Rede eine Frage-Antwort-Runde mit Reportern und Reporterinnen aus verschiedenen Bereichen des Journalismus.

Ich war Mitglied der Gruppe von Lotte LaLoire, einer Journalistin, die sich vornehmlich auf Presserecht spezialisiert hatte, und für Reporter ohne Grenzen arbeitet.

Sie kämpft für die Pressefreiheit in aller Welt. Also auch in Ländern wie der Türkei und unterstützt und berät angeklagte Journalisten bei Gerichtsverhandlungen.

Natürlich berichtet Sie auch über diese.

Ein sehr schwerwiegender Kritikpunkt, der ihr auf der Zunge lag, war die schwindende Pressefreiheit und die Gewalt gegen Journalisten und Journalistinnen, oftmals auch durch staatliche Behörden wie Polizei und Feuerwehr.

Im Anschluss wurden wie von den Mitgliedern des Organisationsteams, die durch an Bambusstäben befestigten Schildern auf sich aufmerksam machten, zu unseren Workshops gebracht.

Vanessa erfährt alles rund um Reportagen, ich lerne vieles über das richtige Interviewen. Anschließend erfolgt der Materialaustausch, so profitiert jeder davon.

Mein Workshop fand etwa 100 Meter entfernt im 2. Haus der Friedrich-Ebert-Stiftung statt.

Wir spielen ein Kennenlern-Spiel. Eine Katastrophe. Ich dachte, wir wären erwachsen.

Anschließend die möglichen Arten eine Frage zu formulieren, und die Möglichkeiten ein Interview zu eröffnen.

Dann eine blutige Mittagspause.

Die Nase.

Schon wieder!

Die Organisatoren hatten diesmal eine andere Lösung für die Mittagspause für mich.

McDonalds.

Irgendwie ironisch, oder?

Schnell die Burger gegessen.

Und dann das Highlight des Tages.

Die Theorie anwenden. Ein Interview mit Annika Klose, einer eher linken Politikerin von der SPD.

Das Interview verlief zuerst ganz gut.

Begrüßung durch Gruppe eins, allgemeine Fragen zur politischen Laufbahn und den politischen Zielen. Im Vordergrund steht bei Ihr die Abschaffung von Hartz IV, dafür würde aber das Bürgergeld eingeführt werden.

Gruppe zwei ging näher auf die politischen Ziele, also das Bürgergeld ein. Dieses soll besser sein als Hartz IV, da jeder die Möglichkeit bekommen soll, den Beruf auszuüben, der ihm gefällt. Zusätzlich sollen alle, die das Bürgergeld in Anspruch nehmen, für zwei Jahre genug Geld erhalten, um den momentanen Lebensstandard zu erhalten. Außerdem soll die Kreditwürdigkeit, beziehungsweise die Möglichkeit, von eigenen Ressourcen zu leben, nicht mehr überprüft werden.

Ich sah das eher kritisch: Du bekommst Geld vom Staat, so viel wie du brauchst und es wird nicht überprüft, ob man es überhaupt nötig hat. Außerdem, woher das nötige Geld nehmen?

Dann kam Gruppe drei an die Reihe. Wir beschäftigten uns mit Jugend, Politik und Medien. Also junge Menschen in der Politik.

Im Anschluss zurück zur Friedrich-Ebert-Stiftung, mit einem kleinen Umweg über den Bundestag.

Dann habe ich mich mit Herrn Riegel in dem kleinen Garten hinter der Stiftung getroffen.

Kurz frische Luft schnappen, nach dem die Luft in den Gebäuden teilweise so verbraucht ist.

Dann wieder rein zu Abschlussrede mit anschließender Akrobatikeinlage, es wurde auch etwas geschauspielert.

Dann Freizeit.

Auf zur Eastside-Gallery, also der neuen alten Berliner Mauer.

Alt, weil sie da schon länger steht, neu, da sie mehrmals neuen Anstrich erhalten hat.

Graffiti.

Normalerweise nicht mein Stil.

Nur Narrenhände beschmieren Tisch und Wände, sagte man mir einmal.

Aber hier war das nicht nur Schmiererei, sondern wirklich Kunst. Sehr detailgetreu und mit einigen Symbolen behaftet.

Wirklich schön anzusehen.

Danach gab es noch eine schwierige Frage zu klären.

Wo kann man in Berlin ohne Geschmacksverstärker essen?

Es gibt ja viel Auswahl, bestimmt auch viele ohne Chemie, aber die erstmal zu finden.

Schwierig.

Wir fanden letztendlich ein japanisches Restaurant, allerdings vegan.

Aber ein veganes Restaurant weiß bestimmt, welche Zutaten sie benutzen.

Ich habe auch vegan gegessen. Schwarzer Reis mit scharfem Ingwer, Rettich, Hokkaido-Kürbis, etwas violettes Kraut, vermutlich Blaukraut und Weißkraut mit einer unglaublich scharfen Sauce.

Danach wieder zurück in unser Hostel, wieder mit 45 Minuten Fahrt.

Um 22:30 Uhr sind wir angekommen. Wieder todmüde, diesmal allerdings von dem vielen Input am Vormittag.

Ich gehe auf mein Zimmer und unterhalte mich noch mit meinem Kollegen aus der Schülerzeitung aus Sachsen. Er lädt mich ein, mit ihm ein Bier unten im Aufenthaltsraum zu trinken.

Ich lehne ab, zu müde.

Außerdem ist Bier nicht das Getränk meiner Wahl.

Text: Gabriel T.

Foto: Foto: Jugendpresse Deutschland/Christopher Folz

Dit is‘ Berlin! Ankunft in der Hauptstadt! (Teil 1)

In drei Teilen präsentiert unser Autor Gabriel Auszüge aus seinem Reisetagebuch. Die Schülerzeitung der Beruflichen Oberschule Friedberg hatte beim Schülerzeitungswettbewerb der Länder den Onlinepreis gewonnen und wurde von der Jugendpresse nach Berlin eingeladen. Auf dem Programm standen Schreibworkshops und die Siegerehrung im Bundesrat.

01.06.2022

Tag 1

Heute ist es soweit. Ich fahre nach Berlin. Aber die erste Hürde muss ich erst noch überwinden: Aufstehen um 5:30 Uhr. Viel zu früh!!! Und dann noch schnell mein Frühstück essen. Katastrophe! Anschließend nach Augsburg zum Hauptbahnhof fahren. Um 7:46 Uhr fährt unser Zug los. Wir fahren mit der Deutschen Bahn, wir haben ja Zeit und Puffer. Hoffentlich werden es keine acht Stunden Fahrt, wie bei meiner letzten Fahrt. Mal sehen.

Ich sitze im Zug.

Seit zwei Stunden.

Allerdings in guter Gesellschaft. Herr Riegel und Vanessa sind gute Gesprächspartner. Gleich ist es neun Uhr und ich werde eine Klassenkameradin anrufen, damit wir uns gegenseitig Mathe erklären. Vor zwei schlauen Köpfen muss diese Aufgabe einfach zusammenbrechen. Das Telefonat hat wunderbar funktioniert.

Jetzt ist uns beiden alles „Klara“ ;-). Es ist jetzt 9:45 Uhr und wir kommen vermutlich um 12:15 Uhr an. Hoffentlich. Ich bin noch skeptisch. Aber das W-Lan funktioniert und in einer Stunde habe ich meine Mathe-Konferenz auf Teams mit Herrn Drexler. Wird bestimmt interessant. Während ich darauf warte, dass die Konferenz beginnt unterhalte ich mich mit Vanessa. Herr Riegel hört währenddessen Musik.

Um 10:55 Uhr hat die Konferenz wie geplant begonnen. Es ging um bestimmte Wahrscheinlichkeiten. Nicht gerade meine Kernkompetenz, zumindest noch nicht, aber machbar.

Die Zugfahrt geht dem Ende entgegen und ich musste die Konferenz früher verlassen, da wir uns um 12:00 Uhr zum Aussteigen vorbereitet haben.

Nach nur ca. 4 Stunden und 30 Minuten sind wir in Berlin angekommen. Krass! Ging schneller als erwartet.

Nachdem wir um Viertel nach Eins aus dem ICE ausgestiegen sind, sind wir mit der S-Bahn weiter zum Berliner Ostkreuz gefahren. Diese S-Bahn erschien mir etwas schmutziger, als ich es bisher gesehen hatte. Es riecht muffig, der Boden ist staubig und schmutzig. Ich will nicht wissen, was für Keime an den Haltegriffen haften…

Und dann die Menschen, die da drinnen sitzen. Die wirken auf mich etwas grau und farblos. Aber sie tragen zumindest alle Masken.

Ich habe die ganze Zeit meinen Rucksack und meinen Koffer im Auge behalten. Wachsam, stets auf Langfinger achtend. Frei nach dem Motto: Holzauge sei Wachsam. Nur dieses Holzauge sieht fast alles. So ist es auch im Bahnhof weitergegangen.

Und noch mehr „Wandverzierungen“, die heute als Graffitis bekannt sind und sehr viele Menschen.

Somit natürlich auch mehr Möglichkeiten, um von wertvollem Besitz befreit zu werden. Und das wollen wir ja nicht. Ich will meine Geldbörse nicht verlieren und die andere Person nicht ihre Hand.

Denke ich.

Die Straßenbahn, mit der wir dann zur Genslerstraße gefahren sind, ist deutlich ansprechender gewesen. Sauberer und von etwas weniger ominösen Personen besucht.

Noch ein kurzer Fußweg, und dann sind wir schon da. Das A&O Hostel Kolumbus am Stadtrand von Berlin.

Als erstes haben wir schon mal versucht einzuchecken. Aber die Organisatoren der Jugendpresse waren noch nicht anwesend. Was auch noch etwas andauern würde. Aber der Reihe nach.

Wir setzen uns in geringer Entfernung zum Hostel auf eine Bank und plaudern ein bisschen. Über das Einchecken, die Anzahl der Betten, die möglichen Zimmergenossen, die Möglichkeiten essen zu gehen, da ich einige Allergien und Unverträglichkeiten habe und über Sehenswürdigkeiten, die wir uns ansehen wollen.

Um 14:30 Uhr sind wir in den Empfangsbereich zurückgekehrt, mit der Hoffnung einchecken zu können, um unsere Zimmer und Betten zu beziehen und uns kurz auszuruhen, bevor wir Berlin für uns entdecken würden.

Dachten wir zumindest.

14:45 Uhr: Das Orga-Team der Jugendpresse ist noch nicht eingetroffen. Vielleicht stecken sie ja im Verkehr fest. Der Verkehr in Berlin kann Gerüchten zufolge mörderisch sein.

15:30 Uhr: Wer ist da? Jedenfalls niemand von der Jugendpresse. Ich liebe Organisation!

16:00 Uhr: Nach einigem Nachfragen und einem drohenden Stimmungstief erfahren wir: die Mitglieder der Jugendpresse sitzen in der U-Bahn fest.

Preisfrage: Sollte man so etwas, vor allem in einer Großstadt, nicht einplanen?

Es ist 17:00 Uhr. Endlich beginnt das große Checken. Wobei ich nicht checke, was los war.

Vier ehrenamtliche Helfer sitzen hinter dem Ort der allgemeinen Begierde: Dem Check-in-Schalter.

Einem Check-in-Schalter.

Mit vier Personen.

Nächste Preisfrage: Wie viele Personen sind notwendig, um einen einzigen Check-in-Schalter von ca. 4 Metern Breite zu bedienen?

Bonusfrage: Wie viele Check-in-Schalter könnte man aus einem ca. 4 Meter breiten Tisch bilden?

Nach dem ersten großen Ansturm hat sich Herr Riegel in die Schlange gestellt. Vanessa und ich haben auf sein Zeichen gewartet und auf die Koffer aufgepasst.

Dann durften wir endlich, endlich unsere Zimmer beziehen.

Die Freude war allgemein groß.

Als ich mein Zimmer betrat, stellte ich allerdings fest, dass nur noch die oberen Liegeflächen der Stockbetten zur Verfügung standen. Die anderen Betten waren bereits von stillschweigenden Rucksäcken beansprucht worden. Also, Bett beziehen und erstmal probeliegen.

Die Decke ist groß genug.

Das Bett nicht.

Aber immerhin besser als auf im ersten Stock des Zimmers schlafen zu müssen.

Eine Pause war uns allerdings nicht vergönnt.

Gleich darauf mussten wir uns wieder vor dem Hostel versammeln und uns zum Hotel Rossi begeben, wo wir dann begrüßt werden sollten. Die feierlichen Worte wurden von Thomas Bressau, Projektleiter der Länder, vorgetragen.

Anschließend wurde das Büffet eröffnet.

Es gab ein kollektives erleichtertes Aufstöhnen, dann hatten wir den Salat. Er war sehr gut, allerdings habe ich das Dressing nicht probiert.

Als ich zum Hauptgang übergehen wollte, meinte Herr Riegel, ich solle besser nochmals Nachfragen, ob wirklich keinerlei Geschmacksverstärker verwendet wurden. Zu Recht. Es waren welche enthalten.

Glücklicherweise war das Personal so nett, mir etwas Gemüse zu und Reis anzubraten.

Das Gemüse war sehr gut, der Reis eher fade.

Aber das Engagement muss gelobt werden.

Danach hätten wir uns auf dem Empfangsabend mit anderen Schülerzeitungen verbrüdern können. Dieses Angebot schlugen wir allerdings aus.

Berlin wartet auf uns.

Wieder in die Bahn, diesmal zum Bundestag.

Ein schönes altes Gebäude. Und groß. Sehr groß wohlgemerkt.

Das erhoffte erhebende Gefühl blieb allerdings aus.

Anschließend zum Kanzleramt. Das Gebäude sieht von außen aus wie ein großes Einkaufszentrum.

Es gab zu diesem Zeitpunkt in einem Nebengebäude auch eine Veranstaltung von den oberen 10.000. Vermutlich alternative Meinungsbildung der Lobbyisten.

Ein Taschendieb wollte sich meines, ihm fremden, Portemonnaie bemächtigen. Mein Holzauge wurde dessen gewahr. Habe natürlich sofort als Aikido-Ka hart durchgegriffen, sodass der Kleinkriminelle meine Geldbörse fallen ließ. In seiner Wut streifte er meine Nase mit einem wilden Schwinger und lief auf der Flucht der Polizei in die Arme. Ok, stimmt schon, ich hatte einfach Nasenbluten.

Dann zur Charité und passend zum Thema gleich mal zur Ader gelassen.

Ausgehend von der Nase.

I love it like hell, wie mein alter Englischlehrer sagen würde.

Vanessa war so freundlich mir Servietten aus dem nächstbesten Restaurant zu holen.

Jetzt hat Berlin auch ein Andenken an mich. Blutflecken.

Eine ganz persönliche Note meinerseits.

Nach dem Aderlassen ging es weiter zum Brandenburger Tor.

Hier war das Gefühl der Größe und Erhabenheit des älteren Bauwerks deutlich zu fühlen. Bei Nacht ist es sogar noch imposanter. Irgendwie geheimnisvoll.

Gleich im Anschluss noch zum Holocaust-Denkmal.

Und zum Schluss noch eine kleine Begegnung mit alkoholisierten Studenten. Allerdings nur aus der Ferne. Dieser traurige Anblick hat ausgereicht. Nicht erstrebenswert sich in aller Öffentlichkeit selbst zu veralbern.

Im Hotel, um 23:00 Uhr, lerne ich endlich meinen dritten Zimmergenossen kennen. Ein sehr freundlicher junger Mann aus Sachsen.

Ich bin gleich ins Bett.

Ende des ersten Tages.

Text: Gabriel T.

„Blattmacher“-Wettbewerb: Friedo-Autorin Vanessa im SZ-Interview über Schreibsucht und Künstlernamen

Nachdem die Redaktion von Friedo beim „Blattmacher“-Wettbewerb und dem Schülerzeitungswettbewerb der Länder Online-Preise gewinnen konnte, stellte sich Autorin Vanessa den Fragen von Journalistin Viktoria Spinrad von der Süddeutschen Zeitung.

Nachlesen könnt ihr das Interview hier: https://www.sueddeutsche.de/bayern/vanessa-stebel-autorin-schuelerzeitung-sz-blattmacher-1.5593880

»Aber ich kann diese Person nicht vergessen…« – Doch das kannst du! | Der ultimative „Friedo-Liebeskummer-Guide“

Die hässlichen Wahrheiten, die wir lange ignoriert haben

Wir kennen es vermutlich alle oder werden irgendwann an diesen Punkt gelangen: wir treffen eine Person, verbringen einen (kurzen oder langen) Zeitraum mit ihr und irgendwann fühlen sich die Schmetterlinge nicht mehr so frei an wie am Anfang. Fast, als wären sie nie da gewesen. Man sieht in das Gesicht, aber man fühlt nicht die gleichen Empfindungen. Ich möchte nicht lügen, das Gefühl ist schrecklich. Wenn sich die Welt schwerer anfühlt, und die Nächte daraus bestehen, sich einen Plan für eine Zeitmaschine zu überlegen, nur um die paar Monate zurückspulen zu können.

Die Wahrheit ist, dass die Zeitmaschine nichts verhindern kann. Sie kann nicht dafür sorgen, dass die Zukunft sicher ist. Ich musste das auch erst einmal verarbeiten, aber sobald man diesen Gedanken halbwegs verdaut hat, wird der nächste nicht mehr so schlimm sein.

Noch eine bittere Pille, die man schlucken muss, bevor man anfängt, die Trennung zu verarbeiten ist, dass man anfangen muss, sich einzugestehen, dass es wieder bergauf gehen wird. Es wird wieder bergauf gehen. Nicht jede Beziehung ist dazu da, für immer zu bestehen. Einige Beziehung geschehen und verschwinden, und das Einzige, was wir tun können, ist, daran fast zu zerbrechen, zu heilen und zu wachsen.

Und jetzt, die fünf Tipps, die dir dabei helfen können, die Trennung zu verarbeiten:

Tipp Eins: Du verlierst nicht immer, manchmal gewinnst du

Du warst mit jemandem zusammen, der dich eigentlich ständig zum Weinen gebracht hat? Gut, jetzt hast du keinen Grund mehr, wegen den (beabsichtigten) Fehltritten der Person zu weinen. Du wurdest ständig zum Angelpunkt und für die Probleme in der Beziehung verantwortlich gemacht? Zeit, sich von diesem Gedanken zu trennen. Wenn wir eine Person loslassen, die ohnehin nicht in unser Leben gehört, wird es sich (vielleicht, muss nicht) schlecht anfühlen, aber später wird dieser Druck, diese Angst nicht mehr auf dir liegen. Der amerikanische Psychologe Phil McGraw sagt dazu: » It’s better to be healthy alone, than sick with someone else.« Und ich finde, er hat absolut recht. Auch, wenn deine Beziehung in guten Wegen auseinander gegangen ist: Du kannst jetzt wieder neu anfangen und andere (bessere) Erfahrungen machen.

Tipp Zwei: Wandle den Schmerz in etwas Schönes um

Vielleicht möchtest du darüberschreiben? Oder singen und herzzerbrechende Lyrics dazu verfassen? Oder du malst etwas, skizzierst, singst, egal. Solange du etwas tust, was dir helfen kann, deinen Schmerz zu verarbeiten, tust du alles richtig. Pass nur bitte auf, dass du nicht zu sehr in die Materie sinkst und nur noch trauriger wirst. Dann solltest du nach einer passenderen Alternative suchen, wie beispielsweise Sport oder Tanzen oder möglicherweise doch einen Therapeuten oder Psychologen zur Seite ziehen.

Tipp Drei: Die Wurzeln packen und analysieren

Gibt es bestimmte Faktoren, die dich und die Person dazu verleitet haben, euch zu trennen? Denk darüber nach. Oftmals sind viele unserer Sorgen, Ängste und Probleme in unseren persönlichen Wurzeln verankert, die unseren Charakter sehr beeinflussen. Hat es deine*n ehemalige*n Partner*in gestört, dass du anhänglich warst? Oder immer wissen wolltest, wo sie sich befindet? Hattest du das Gefühl, nie Vertrauen aufbauen zu können? Versuche herauszufinden, ob sich nicht mehr dahinter verbirgt. Recherchiere seriöse Internetseiten oder schlage in Fachbüchern nach, ob bestimmte Faktoren deiner Kindheit oder andere Bruchstücke deines bisherigen Lebens dich dazu bringen, Verhaltensmuster aufzuweisen. Wir finden nicht nur heraus, wo unsere Schwächen liegen, sondern auch, womit wir einige (schädliche) von ihnen genauer behandeln können.

Tipp Vier: Ist Liebe wirklich das, was du dachtest, dass es ist?

Schmetterlinge, Funken, Herzklopfen – ist es das, was du mit Liebe verbindest? Trauer, Schmerz, Angst – das hier auch? Oder eher Wärme, Geborgenheit und Sicherheit? Wenn wir die Liebe das erste Mal kosten, kann es sein, dass alle verschiedenen Empfindungen einhergehen und uns nicht nur verwirren, sondern vor allem alles glauben lassen. Jedes geflüsterte »Ich liebe dich«, aber auch jenes hassverzerrtes »Ich hasse dich.« Wo ziehe ich die Grenze? Wo ist meine Priorität? Was möchte ich? Tipp Vier ist ähnlich wie Tipp Drei: Auch hier lohnt es sich, über den Tellerrand hinauszublicken und darauf zu achten, was Red Flags* sind. So können wir diesmal leichter entscheiden, ob eine bestimmte Person ein*e ideale*r Partner*in wäre.

Also, ist das Vergangene das, was du wirklich für Liebe hältst?

Tipp Fünf: Schritte nach vorn

Egal, wo auch immer du im Leben stehst oder standest, jetzt geht es bergauf. Du hast bald die Möglichkeit, wieder neu anzufangen, denn ja, du kannst diese Person vergessen! Du hast jahrelang ohne diese Person auskommen können, also wird es kein unüberwindbares Problem sein, nach vorne zu gehen und auf die Dinge zu warten, die du verdienst. Jede Trennung bringt dich näher zu demjenigen, den du einmal für immer lieben wirst. Auch, wenn das du selbst bist.

Ihr schafft das schon!

*Red Flags sind sogenannte Anzeichen, die einem auffallen und bestimme toxische Verhaltensweisen kategorisieren lassen, beispielsweise: Jemand verliert nach der kleinsten Anmerkung die Geduld = eine Red Flag, dass dieser jemand gewalttätig sein könnte.

Text: Vanessa S.

Frag‘ Ehemalige der FOS: „Kontinuierlich mitlernen!“

Ich habe einige ehemalige Schüler über ihre Zeit an der FOS, ihre Erinnerungen und ihr Leben nach der FOS ausgefragt. Hier kommen gebündelt die Antworten, die ich erhalten habe, sowie Ratschläge an die Schüler von heute.

Wie hast du herausgefunden, was du nach der FOS machen willst?

Max beispielsweise wusste genau, was er nach der FOS machen will. Andere sind durch Zufall oder durch die Praktika in der 11. Klasse auf ihren Beruf gekommen. Auch Beratungsangebote, ein „Tag der offenen Tür“ oder auch Infoveranstaltungen haben geholfen, sich zu orientieren.

Was hast du aus der FOS mitgenommen?

Bei dieser Frage sind sich alle einig, sie haben vor allem gute Freunde gefunden. Aber natürlich auch Wissen aus dem Praktikum und dem Unterricht ist hängengeblieben, das für den späteren Werdegang hilfreich war und auch noch ist. Natürlich auch nicht zu vergessen, was Marina gleich als allererstes genannt hat: „Mein Abi!“.

Fandest du, es gab einen großen Unterschied zwischen der vorherigen Schule und der FOS? Wenn ja, welchen?

Die Doppelstunden, mehr Pausen und auch das veränderte Schulklima unterscheiden die FOS von vorherigen Schulen. Besonders das Schulklima wurde meist als sehr positiv und schön bezeichnet. Das Klima in den einzelnen Klassen wurde auch oft genannt und als besser und menschlicher bezeichnet. Positiv aufgefallen ist aber auch, dass sich Lehrer und Schüler auf Augenhöhe begegnen und man nicht mehr wie ein Kind behandelt wurde. Natürlich mussten manche länger pendeln und somit früher aufstehen, was am Anfang erstmal eine Umstellung darstellt. Außerdem wurde man weniger an die Hand genommen als in der vorherigen Schule und musste sich für den neuen Lernstoff neue Denkmuster aneignen. Man sieht, es ist schon eine Umstellung, die manchen leichter und anderen schwerer fiel.

Erzählt mir eine lustige Geschichte aus der FOS-Zeit!

Max hat erzählt, dass er mit Erlaubnis des Lehrers im Physik-Unterricht E-Zigarette rauchen durfte, um in einem Experiment mit Laserstrahlen bessere Resultate zu sehen. Marina, die im Technikzweig auf unserer Schule war, erzählte von einer Lehrerin, die jede Stunde irgendetwas bei ihnen im Klassenzimmer vergessen hat, beispielsweise Schlüssel, iPad oder auch ihre Brille. Nico sagt auf die Frage: „Wie einer meiner Mitschüler im Chemieunterricht eingeschlafen und vom Stuhl gefallen ist.“ Maurice und Daniel antworteten, wie ein Schüler unserer Schule auf dem Sommerfest einen wagemutigen Sprung in ein Schaumbad gewagt hat, blöderweise war in dem Pool wirklich nur Schaum und er wusste das anscheinend nicht.

Was machst du heute?

Auf diese Frage war ich besonders gespannt. Viele haben nach der FOS ein Studium begonnen, teilweise bereits auch schon beendet und arbeiten nun in dem Bereich, wobei die Berufe nicht unterschiedlicher sein könnten.

Marina studiert gerade Physik im Master. Maurice macht seinen Master im Bereich Game Engineering and Visual Computing. Nico studiert im Master Maschinenbau.

Franziska hat ihr duales Studium BWL mit dem Schwerpunkt „Industrie“ abgeschlossen und wurde von ihrer Firma übernommen. Max arbeitet als Anwendungsentwickler bei einer Consulting Firma. Sonja – die einzige Befragte aus dem Sozialzweig – hat ihr Staatsexamen im Lehramt Sonderpädagogik gemacht und wartet nun auf den Beginn des Referendariats. Daniel führt – nach abgeschlossenem Maschinenbaustudium – nun mit einem Freund eine kleine Agentur für Filmproduktion und Fotografie und nimmt inzwischen sogar selbst FOS-Praktikanten auf, außerdem ist er an Wochenenden als Hochzeitsfotograf tätig.

Daniel ist nicht der einzige, der umgesattelt hat und jetzt etwas anderes macht, als nach der FOS gedacht. Auch Juliane hat mit Maschinenbau angefangen, allerdings nach einigen Semestern gemerkt, dass sie damit nicht glücklich wird und studiert nun im 2. Fachsemester Tiermedizin.

Wie war dein Weg auf die FOS?

Die meisten haben die Realschule gemacht. Manche hatten zwischen Realschule und FOS noch eine Ausbildung oder ein Auslandsjahr eingeschoben.

Wie hast du die FOS Zeit wahrgenommen?

Auch hier war eine bunte Mischung dabei. Für die einen war es eine schöne, lustige, abwechslungsreiche Zeit mit neuen Freunden. Durch die Praxisnähe war es eine gute Vorbereitung auf das anschließende Studium. Andere fanden die Zeit anstrengend, vor allem die 13. Klasse war deutlich anstrengender als die Jahre vorher. Und wieder anderen verging die Zeit zu schnell.

Wie hast du das Schulklima wahrgenommen?

Das Schulklima wurde von dem größten Teil als positiv wahrgenommen. Die Lehrer sind immer freundlich und haben oft ein offenes Ohr für die Anliegen der Schüler. Auch die Schüler auf der FOS haben zu einem guten Klima in der Schule, aber auch in der Klasse beigetragen. Sie sind offen für andere Perspektiven und unterstützen sich gegenseitig.  Es wurde aber auch genannt, dass die einzelnen Grüppchen viel unter sich bleiben und man hauptsächlich Kontakt zur eigenen Klasse hatte.

Was hättest du gerne vor der FOS gewusst?

Einige hätten gerne gewusst, dass Arbeiten und Lernen, vor allem in der Prüfungszeit, sich schwer vereinbaren lässt. Bei den Zeugnissen spalten sich die Meinungen etwas, die einen sagen, dass auch die Noten aus der 11. Klasse bei einer frühzeitigen Bewerbung auf Ausbildungsplätze oder duale Studiengänge relevant sind. Die anderen meinten, dass das Abi-Zeugnis sehr unwichtig für das spätere Leben sein kann.

Zudem wurde gesagt, dass man sich am besten schon möglichst früh Informationen zum späteren Studium oder einer Ausbildung suchen sollte. Außerdem ist es gut zu wissen, welche Möglichkeiten es aktuell zur Schnitt-Verbesserung für NC-Studiengänge gibt. Wie viele sicherlich nachvollziehen können, wäre Sonja sich gerne schon wirklich sicher gewesen, was sie danach machen will. Nico hätte gerne vorher gewusst, dass man in „nur“ zwei Jahren viel erleben kann und der Schritt an die neue Schule gar nicht so schlimm ist, wie man vorher denkt. Daniel meinte: „Alles easy, wird eine tolle Zeit!“

Was rätst du den jetzigen FOS-Schülern?

Hockt euch auf eure vier Buchstaben, das Lernen und das Vorbereiten lohnt sich und ein kleiner Tipp am Rande: kontinuierlich Mitlernen verringert den Stress am Ende etwas. Macht etwas, was euch Spaß macht und wagt es, neue Dinge auszuprobieren. Nehmt euch nach den Abschlussprüfungen Zeit für euch und macht etwas, was euch guttut und was ihr unbedingt erleben wollt.

Es ist vollkommen ok, nicht zu wissen, was man machen will. Man kann jederzeit seine Entscheidung ändern und sich neu orientieren. Man darf auch stolz auf einen Neustart sein – ihr müsst für euch selber einstehen! Und nicht zu vergessen: Genießt die FOS-Zeit!

An was denkst du gerne zurück?

Die Pausen, Zwischen- und Freistunden mit Freunden, „Wizard-“ und UNO-Turnieren; auch die lustigen Momente im Praktikum und die Abschlussfahrt mit einem anderen Zweig.

Würdest du die FOS nochmals machen, wenn du vor der Entscheidung stehen würdest?

Hier wurde einheitlich mit „Ja“ geantwortet, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die einen fanden die Fächerkombinationen ideal für ihren späteren Werdegang, für andere war es der schnellste Weg zum Abitur und wieder andere hatten einfach eine tolle Zeit.

Ich möchte mich bei allen Beteiligten bedanken, die sich die Zeit genommen haben, mir die Fragen zu beantworten. Danke Max, Franziska, Marina, Maurice, Sonja, Daniel, Nico, Juliane und vielen weiteren.

Interview: Charlotte A.

„Pouring The Whiskey“ – Vanessa S. | Kurzgeschichten über das Thema Trennung (Kapitel 3)

Kapitel drei

Jill, 53

Ich wurde einst gefragt, wie ich vergangene Beziehung sehe. Wie ich die vor Jahren zerbrochene Ehe mit meinem Mann sehe. Was ich davon halte. Wenn überhaupt. Die Frage, wie ich sie sehe, konnte ich leichter beantworten als die Frage, was ich davon hielt.

Vergangene Liebe verweilt in dir wie eine Schneekugel, sie ist die ganze Zeit dort, unbeholfen, unberührt. Ein Moment in einer Glaskugel, den man nicht verändern kann. Du möchtest deinen Finger ausstrecken und dein vergangenes Ich anstupsen, um ihm oder ihr mitzuteilen, dass er oder sie sich bewegen soll, aber nichts bewegt sich, weil das Glas dazwischen liegt und dich aufhält. Und wenn du darin erinnert wirst, an etwas, was dich in die Zeit zurückbringt, fängt auch der Schnee in der Kugel zu fallen, und langsam immer mehr Details zuzudecken.

Besser kann ich Liebe nicht beschreiben.

Wenn es um Liebe geht, scheint den meisten Menschen jede mögliche Metapher einzufallen, um ihre Gefühle beschreiben zu können. Blumenfelder, Herzen, Frühlingsgefühle. Die Ehe mit meinem Mann war ein einziges blutiges Dornenfeld gewesen. Wie hätte es auch anders ausgehen können, Ratlosigkeit und Zeitdruck waren unsere Triebmittel, Hass und Distanz unsere Vorboten für die Scheidung.

Das liegt drei Jahre zurück.

Wie jedes Wochenende habe ich mich auf den Weg ins „Cold Rose“ gemacht, um irgendwie unter Menschen zu gehen. Solange, bis ich das Gefühl habe, genug Gesichter gesehen zu haben, und ihres zu suchen.

Ich suche seit achtunddreißig Jahren nach ihrem Gesicht. Versuche, die schwarzbraunen Augen zu erkennen, die schwarzen Haare wehen zu sehen und ihre süße Stimme zu hören. Wenn ich ganz alleine bin, habe ich manchmal das Gefühl, die Sehnsucht nach ihr liegt wie eine dünne Betonschicht auf mir, und verlangt, dass ich mich mit allem, was ich besitze, wieder einen Flug nach Sistiana, Norditalien, buche.

Wie vor achtunddreißig Jahren.

Wie sie jetzt wohl aussieht?

Ich kann sie mir genau vorstellen. Um ihre dunklen Augen finden sich Krähenfüßchen. Wenn sie blinzelt, verdecken ihre Wimpern die geprägte Farbe um ihre Pupille, in der man sich selbst spiegeln sehen kann. Auf ihren Wangenknochen liegt eine blassrosa Tönung, und am Ende ihrer Wangen sieht man erste Altersflecken, die sie überhaupt nicht älter wirken lassen, weil ihre Ausstrahlung jugendlicher ist als die erste Frühlingsknospe.

Ich war fünfzehn als ich sie das erste Mal sah. Der Flug und die Fahrt nach Norditalien waren anstrengend gewesen und ich wollte nur noch schlafen. Aber meine Eltern drängten mich dazu, vorher etwas zu essen und so ging ich mit schlechter Laune mit ihnen essen.

Sie muss älter als ich gewesen sein, sie war viel größer als ich und kellnerte in dem Restaurant, das unterhalb unseres Hotels war.

Als ich sie sah, fühlte ich, wie ein Blitz in mein Herz schoss und mich kurzzeitig total lähmte. Und ihr muss es ähnlich ergangen sein, sie hatte stillgestanden und die Cola, die meine Eltern mir bestellt hatten, mit ihren verkrampften Fingern festgehalten.

Alle Momente, die ich mit ihr in den damals künftigen Tagen sammelte, beschränkten sich auf kleine Gelegenheiten, sie im Restaurant anzusehen und sie dabei zu beobachten, wie sie die anderen Gäste bediente. Wenn sie mich erwischte, wie ich sie ansah, drehte ich mich weg, nur um in wenigen Sekunden später festzustellen, dass auch sie mich beobachtete. Meine Eltern drängte ich dazu, mehr und mehr Kaffee zu trinken, damit ich mehr Zeit hatte, sie anzusehen.

Ich bin mir sicher gewesen, dass diese Schwärmerei in etwas hätte münden können, das mich bis heute paralysiert hätte.

Jahrelang habe ich mir eingeredet, dass meine Fantasien über diese junge Frau nicht wichtig waren. Dass sie nur das Ergebnis meiner ereignislosen Welt waren, irgendwas. Aber wo auch immer mich das Leben führte, ich hielt diese Schneekugel bei mir.

Und jedes Mal, wenn ich versuchte, mich in der Vergangenheit zu sehen, wie ich sie ansprach, desto bitterer wurde die Realität. Wo ist sie jetzt? So vergangen wie meine Chance, und ich vermag mir zu behaupten, dass ich mich nie vollständig fühlen würde für den Rest meines Lebens.

Ich erinnere mich noch daran, wie viele bunte Kleider ich mir mitgenommen und in diesen zwei Wochen angezogen hatte, um sie zu beeindrucken und dazu zu bringen, mich zu sehen. Wie ich damals nicht wusste, dass ich mit zwanzig besser aussehen würde als mit fünfzehn, und wie ich mir mit vierzig gewünscht hatte, wieder so schlank zu sein wie in meinen Dreißigern. Ich wusste nichts, aber ich war neugierig, und ich wollte, dass diese junge Frau mehr für mich werden würde als es wurde.

 Jetzt in der „Cold Rose“-Bar zu sitzen und darauf zu hoffen, diese Frau zu sehen, die mich schon immer heimsuchte, brachte mich dazu, Whiskey zu bestellen und die Zeit abzuwarten, bis ich wieder nachhause gehen durfte. Meine Tochter Betty möchte, dass ich sozialer werde. Sie hat mich entscheiden lassen, zwischen einem wöchentlichen Restaurantbesuch, einem Café oder einem Club für Singles. Ich nahm die erste Option und wandelte es in Bar um. Perfekt.

Die Besucher gehen ein und aus, trinken, lachen, werden müde und verschwinden. Es ist schon spät, die Nacht küsst den Morgen und irgendwo da draußen ist sie. Die einzige Frau, für die ich alles geben würde, um sie noch ein weiteres Mal zu sehen.

Annie, 27

Alles hätte klappen können. Alles hätte klappen können. Alles hätte verdammt noch mal klappen können.

»Ja, noch einen bitte«, weise ich den Barkeeper an, ohne von meinem Glas aufzuschauen.

Und ich hätte nicht zugelassen, dass uns etwas trennt.

An Tagen, in denen jeder Sonnenschein weg ist, sucht man die Strahlen in sich selbst oder in der Person, die man am liebsten hat. Was besonders schwer für mich ist, dass mir erst jetzt auffällt, wie viel ich für ihn verschwendet habe.

 Vor zwanzig Jahren habe ich ihn das erste Mal gesehen. Vor neunzehn Jahren sind wir Freunde geworden. Vor zehn Jahren haben wir uns verliebt. Vor fünf Jahren haben wir uns verlobt. Und vor zwei Stunden habe ich meine beste Freundin in unserem Bett gesehen, während er aus der Dusche gestiegen ist.

Ich bin in die erstbeste Bar geflüchtet, nicht um meine Sorgen zu ertränken, das nützt nichts. Aber um mir klar zu werden, dass mich bald der absolute Herzschmerz ereilen wird, nachdem ich aufgehört habe, zu verneinen, was passiert ist.

Nein, Maxton hat das nicht getan. Er liebt mich noch. Er liebt mich doch?

»Alkohol wird dir nichts bringen«, sagt jemand neben mir.

Ich schaue auf.

»Jetzt und später nicht.« Eine ältere Dame mit einem warmen Lächeln sieht mich an und deutet stumm auf das volle Glas Whiskey.

»Ich weiß«, murmle ich und lege den Kopf erschöpft in den Nacken. Ich brauche dringend eine warme Dusche und eine Zeitmaschine, die mich zwanzig Jahre zurücksetzt. Und vielleicht doch noch das Glas vor mir.

»Aber ich habe keine Ahnung, was ich sonst machen soll«, höre ich mich sagen. Meine Finger umklammern das Glas.

Die Frau hat ein typisches Nashville-Outfit an, und die typische Ausstrahlung. Ich frage mich, warum ich gerade auf sie hören möchte, sie hat genauso ein Glas vor sich.

»Du sollst da durch, wo du gerade durchmusst – aber wirklich, Liebes, am besten ohne Alkohol. Niemand ist es wert, seine eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen.«

Die leise Country-Musik in der Bar und die warme Atmosphäre lassen mich sekundenlang vergessen, wie ich mich fühle. Was ist so schwer daran, sein Zuhause zu behalten? Warum bekommen das viele Menschen hin, und ich nicht?

»Sie haben recht«, antworte ich. Ich schenke ihr ein mattes Lächeln und als sie es erwidert, spüre ich, wie sich Tränen in meiner Kehle bilden. Ich umfasse das Glas fester und presse die Lippen aufeinander.

»Das wird wieder, auch, wenn es sich nicht danach anfühlt«, fügt sie hinzu. Ich spüre, dass sie mich ansieht, doch ich tue es nicht, weil ich weiß, dass ich sofort in Tränen ausbrechen würde. Ich wollte es gerade nicht.

Ich wollte noch einen Moment stark sein, diese Stärke, die ich über meine Emotionen genieße. Es war zu früh, um zu weinen.

»Warum sind Sie hier?«, frage ich stattdessen mit zitternder Stimme.

Mir gehen alle möglichen Sorgen durch den Kopf. Was werden unsere Familien sagen? Wird er ihnen sagen, was er getan hat, oder es unter den Teppich kehren und mich als Böse dastehen lassen? Was wird passieren?

Und vor allem: Was jetzt?

Sie rutscht einen Stuhl näher zu mir, zwischen uns bleibt einer frei. »Wahrscheinlich aus demselben, aus dem du hier bist«     

Ich zucke mit den Schultern. »Liebeskummer.«

Sie nickt. Sie scheint älter zu sein, wie meine Eltern. Aber ihre Ausstrahlung macht sie glatt zehn Jahre jünger.

»Es wird alles wieder gut«, sagt sie und legt eine Hand auf meine Schulter. Die Geste fühlt sich gut und richtig an, und auch, dass mir einige Tränen aus den Augen laufen. Sie laufen einfach, ich kann es nicht zurückhalten.

Ich bin bald dreißig, und alles, was ich hatte, hatte ich mit Maxton, während er Dinge ohne mich hatte. Noch nie hat sich ein Schmerz so unfair und geltend angefühlt wie jetzt. Der Horizont, auf den ich zu schauen glaubte, war eine Wand, und das Fenster, zu dem ich mich drehe, hat nicht mehr zu bieten als ein verregnetes Feld an vertrockneten Blumen.

Aber wer weiß, vielleicht fühlt es sich ja genauso an, neu zu beginnen? Manchmal muss alles kaputt gehen, damit es neu aufgebaut werden darf. Egal, wie unfair es ist, das Faire wartet noch. Es möchte zu dir.

Und vielleicht muss das kaputte Herz einfach selbst neu beginnen und sich selbst aufbauen.

Ende